Ausgabe November 2013

Abbau per Verwaltungsakt: Vom Sozial- zum Bittstellerstaat

Während vor einigen Monaten der Fall des Gustl Mollath ein Schlaglicht auf die mitunter unsaubere Arbeit der Justiz und das Gutachterwesen warf,[1] bleiben Rechtsverstöße der Sozialverwaltung zumeist unterbelichtet. Dabei lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen hier besonders: Denn in den letzten Jahrzehnten entfernte sich dieser für viele Menschen existenziell wichtige Teil der Verwaltung immer weiter von rechtsstaatlichen Grundsätzen – zu Lasten all jener, die auf Sozialleistungen angewiesen sind. Sie werden zunehmend unzureichend beraten, müssen lange Bearbeitungszeiten ohne Unterstützung überbrücken oder um angemessene Ansprüche vor Gericht streiten. Vielerorts steht offenbar mittlerweile Sparsamkeit vor Recht.

Die hohen Quoten der Nichtinanspruchnahme von aufstockendem Arbeitslosengeld II, von Kinderzuschlag und Wohngeld sowie der Befreiung oder Ermäßigung von Kita-Gebühren wären eigentlich Grund genug, die Bevölkerung intensiv über ihre sozialen Rechte aufzuklären und sie aufzufordern, diese doch bitte in Anspruch zu nehmen. Stattdessen erhalten Sozialamtsleiter bisweilen jedoch sogar die explizite Anweisung, über finanzielle Leistungen gezielt nicht zu beraten.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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