Ausgabe November 2014

IS: Die Implosion des Mittleren Ostens

Die dramatischen Ereignisse im Kampf um die Stadt Kobani sind nur ein Vorgeschmack dessen, was uns bei einem weiteren Vormarsch des sogenannten Islamischen Staat noch erwartet. Die Eroberung von fünf sunnitischen Provinzen des Irak und die kampflose Aufgabe der modernen irakischen Armee sind militärisch nur mit der Niederlage der arabischen Armeen im Sechs-Tage-Krieg von 1967 zu vergleichen. Ja, mehr noch: Die dauerhafte Entstehung eines Kalifats würde die ganze Tektonik der Region zur Auflösung bringen. Denn der IS akzeptiert weder das regionale Staatensystem noch dessen politische Ordnung und führt gegen beides einen „Heiligen Krieg“.

Barack Obama diagnostizierte in seinem Interview mit Thomas L. Friedman von der „New York Times“ das zentrale Problem: „Im Mittleren Osten und in Teilen von Nord Afrika bricht eine Ordnung auf, die bis zum Ersten Weltkrieg zurückreicht.“[1] Im Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916, einer geheimen Übereinkunft zwischen Großbritannien und Frankreich, wurden nach der Zerschlagung des Osmanischen Reiches die bis heute gültigen nationalen Grenzen gezogen. Dagegen verkündete der IS, als seine Bulldozer die Grenzbefestigungen zwischen Syrien und Irak einebneten, das Ende des Staatensystems von Sykes-Picot.

Die entscheidende Voraussetzung dafür war der rasende Machtzerfall des irakischen Präsidenten Nuri al-Maliki.

Sie haben etwa 9% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 91% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die geschürte Migrationspanik

von Naika Foroutan

Zwei islamistische Anschläge in Deutschland – der tödliche Angriff auf einen Polizisten in Mannheim mit sechs zusätzlichen Verletzten am 31. Mai 2024 sowie der Anschlag in Solingen am 23. August 2024, bei dem drei Menschen getötet und acht weitere verletzt wurden – haben das Land stark erschüttert.