Ausgabe Oktober 2024

Die geschürte Migrationspanik

Warum wir die islamistische Gefahr und nicht die Zuwanderung bekämpfen müssen

Die Bundespolizei führt Binnengrenzkontrollen an den Grenzen zwischen Deutschland und Belgien durch, 22.06.2024 (IMAGO / Panama Pictures / Christoph Hardt)

Bild: Die Bundespolizei führt Binnengrenzkontrollen an den Grenzen zwischen Deutschland und Belgien durch, 22.06.2024 (IMAGO / Panama Pictures / Christoph Hardt)

Zwei islamistische Anschläge in Deutschland – der tödliche Angriff auf einen Polizisten in Mannheim mit sechs zusätzlichen Verletzten am 31. Mai 2024 sowie der Anschlag in Solingen am 23. August 2024, bei dem drei Menschen getötet und acht weitere verletzt wurden – haben das Land stark erschüttert. Mit ihnen ist die Zahl der Todesopfer islamistischer Angriffe in Deutschland seit 2011 von 18 auf 22 Menschen gestiegen. Zwei der Täter der insgesamt sieben Anschläge mit Todesfolge stammen aus Syrien, zwei aus Afghanistan, einer war Palästinenser. Anis Amri, dessen Anschlag am Berliner Breitscheidplatz 13 Menschen in den Tod riss, stammte aus Tunesien. Beim ersten islamistischen Anschlag in Deutschland mit Todesopfern, dem Mordanschlag am Frankfurter Flughafen am 2. März 2011, war es ein junger Kosovo-Albaner, der zwei amerikanische Soldaten ermordete. Alle sieben terroristischen Attentäter waren Muslime. Alle waren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen – der erste als Junge aus dem Jugoslawienkrieg. Laut dem Verfassungsschutz liegt das „islamistische Personenpotenzial“ in Deutschland seit mehr als einem Jahrzehnt konstant bei rund 27 000 Personen.[1] Umgerechnet auf die rund 5,5 Millionen Menschen umfassende muslimische Bevölkerung in Deutschland ergibt sich unter dieser ein geschätztes Islamismuspotenzial von 0,5 Prozent.

»Blätter«-Ausgabe 10/2024

Sie haben etwa 7% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 93% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (2.00€)
Digitalausgabe kaufen (11.00€)
Druckausgabe kaufen (11.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Klasse statt Identität

von Lea Ypi

Die Aufklärung wird heutzutage oft geschmäht, sowohl von rechts als auch von links. Von der Rechten, weil kritisches Reflektieren, der Mut, sich seines Verstandes zu bedienen (Kant), schon immer eine Bedrohung für die passive Unterwerfung gegenüber Autorität bedeutet hat, die für die Normalisierung von Ausgrenzungen erforderlich ist.

Wir brauchen Fachkräfte – und schieben sie ab

von Lena Marbacher

Vor zehn Jahren, im Sommer 2015, sprach die damalige Bundeskanzlerin, Angela Merkel den berühmt gewordenen Satz: „Wir schaffen das!“. Trotz der damit suggerierten Offenheit gegenüber den vielen damals in Deutschland ankommenden Geflüchteten schob ihr Kabinett im darauffolgenden Jahr 25 375 Menschen ab.