Ausgabe April 2022

Die große Zäsur: Putins Eroberungskrieg

Der russische Präsident Wladimir Putin im Luzhniki-Stadion in Moskau/Russland 18.03.2022 (IMAGO / SNA)

Bild: Der russische Präsident Wladimir Putin im Luzhniki-Stadion in Moskau/Russland 18.03.2022 (IMAGO / SNA)

Die am 24. Februar 2022 begonnene russische Invasion der Ukraine wurde umgehend als eine der großen Zäsuren in der Geschichte Europas gedeutet, etwa in der Bundestagsdebatte vom 27. Februar. Und das völlig zu Recht: Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es einen solchen Krieg zwischen selbstständigen Staaten in Europa nicht mehr gegeben. Zwar hat der russische Präsident Wladimir Putin die temporäre Sezession der Republiken Donezk und Lugansk mit der Sezession der jugoslawischen Teilrepubliken und später des Kosovo von Serbien verglichen; aber der 1991 begonnene Jugoslawienkrieg blieb stets ein reiner Bürgerkrieg. Relativ bald wurde freilich klar, dass es der Zentralregierung in Belgrad nicht so sehr um die Erhaltung der staatlichen Einheit ging als um das Herausreißen der von Serben bewohnten Gebiete aus den sich für selbstständig erklärenden Gliedstaaten.

Beide Kriege, der Zerfallskrieg Jugoslawiens wie der Krieg Russlands gegen die Ukraine, haben allerdings in der Tat etwas zu tun mit dem Auseinanderfallen nicht-demokratisch regierter Vielvölkerstaaten aufgrund teils nationalistischer, teils demokratischer Aspirationen. In dem einen Fall, nämlich dem Jugoslawiens, ging es allerdings darum, dieses Auseinanderfallen zu verhindern, im anderen, dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, geht es Putin darum, das Auseinanderfallen der Sowjetunion, das er bekanntlich als die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts begreift, rückgängig zu machen.

April 2022

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (3.00€)
Digitalausgabe kaufen (11.00€)
Druckausgabe kaufen (11.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Die Rückkehr des Besatzers

von Sergej Lebedew

Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit.

Was der Westen nicht wissen will

von Steffen Vogel

Es ist eine von jenen scheinbar unwichtigen Nachrichten, die rückblickend wie ein übersehenes Vorzeichen wirken können: Anfang Mai erschien in Russland ein Buch, zu dem Außenminister Sergej Lawrow ein Vorwort beisteuerte. Die These des von Regimeseite derart gewürdigten Werkes: Eine litauische Nation und Sprache gebe es nicht.