Ausgabe Juni 2022

»Wir sind das Volk«: Die Staatsphobie der Querdenker

Demonstration von »Montagsspaziergängen« und »Querdenkern« in der Kölner Innenstadt, 11.4.2022 (IMAGO / Panama Pictures)

Bild: Demonstration von »Montagsspaziergängen« und »Querdenkern« in der Kölner Innenstadt, 11.4.2022 (IMAGO / Panama Pictures)

Während Putins Krieg die Welt in Atem hält, droht die Corona-Pandemie in Vergessenheit zu geraten – samt ihrer Folgen. Laut Bundeskriminalamt stieg die politisch motivierte Kriminalität 2021 um 23 Prozent; über 20 000 Straftaten entstammen der Querdenker-Bewegung. Ihre angeblich demokratische Legitimation firmiert zumeist unter »Wir sind das Volk« und steht damit nicht nur für die Instrumentalisierung der Losung der DDR-Opposition von 1989, sondern nach Ansicht des Philosophen Josef Früchtl auch in einer fatalen ideengeschichtlichen Tradition.

Die Parole „Wir sind das Volk“ hat – im doppelten Sinn – Geschichte gemacht. Sie hat das historische Geschehen vorangetrieben und ist darüber selbst historisch geworden. Besonders eindrucksvoll konnte man sie im Herbst 1989 vernehmen, als Tausende von Menschen in der damaligen DDR – in Leipzig waren es einen Monat vor dem Mauerfall mehr als hunderttausend – auf die Straße gingen, um gegen die freiheitsunterdrückende Politik ihres Staates zu protestieren. Es war dies ein demonstrativer Akt von Opposition und gewaltloser Rebellion gegenüber einem Staatsapparat, der über ein totalitäres Netz von Überwachung und Repression verfügte. Aber dieses Netz verfing nicht mehr. Das staatssozialistische Gebilde kollabierte.

Mittlerweile hat sich der politische Kontext wesentlich verändert. Die Parole hallt nun mit einer rechtspopulistischen Drehung durch die deutschen Lande.

Juni 2022

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