
Bild: Walter Jens (IMAGO / imagebroker / Martin Storz)
Der Intellektuelle hatte es in Deutschland nicht leicht, ja, er durfte lange nicht einmal so heißen. Der seit der Dreyfus-Affäre in Frankreich gebräuchliche Ausdruck war verpönt. Er klang zu sehr nach dem Erzfeind jenseits des Rheins, nach Kritikastertum, nach Revolution. Das Wahre, Schöne und Gute wurde hierzulande gegen die Asphaltliteraten und das Feuilleton ausgespielt, die hehre Kultur gegen einen modernen Zivilisationsbegriff – man denke nur an Thomas Manns „Betrachtungen eines Unpolitischen“ aus dem Jahr 1918. In den weit verbreiteten Antiintellektualismus mischte sich dabei immer auch eine Prise Antisemitismus; bis heute hat sich daran wenig geändert. Der Historiker Dietz Bering nannte seine 1978 erschienene Monographie über „Die Intellektuellen“ im Untertitel nicht ohne Grund „Geschichte eines Schimpfwortes“. Lieber sprach man von Schriftstellern oder Gelehrten; die aber sollten sich bitte nicht zu sehr ins aktuelle Kampfgeschehen einmischen, sondern den Künsten oder ihren akademischen Nischen gewogen bleiben. So war es also bestellt, mindestens bis ins Jahr 1945 hinein. Nach dem Zivilisationsbruch gehörte es dann zu den wichtigen Aufgaben einer jüngeren Generation von Geistesmenschen, den öffentlichen Intellektuellen in der Bundesrepublik zu installieren, ihn vom Makel des Nestbeschmutzers oder Schlimmerem zu befreien.