Plädoyer für einen neuen Humanismus

Bild: Martin Adams via unsplash
So weit wir in der Geschichte zurückblicken, immer wieder finden wir die Sicht des Menschen auf sich selbst gekennzeichnet von einer tiefen Ambivalenz. „Ungeheuer ist viel, doch nichts ist ungeheurer als der Mensch“, so lautet der berühmte Satz aus der Antigone des Sophokles, dem diese Ambivalenz bereits innewohnt: Ungeheuer, griechisch deinós, ist sowohl das, was Staunen, als auch das, was Furcht erregt, also was „erstaunlich“ oder „gewaltig“ ebenso wie „erschreckend“ oder „furchtbar“ ist. Den gewaltigen Leistungen des Menschen etwa in den Wissenschaften oder der Technik steht seine schreckliche Seite gegenüber, in Hass, Gewalt, Krieg und Destruktion.
Die gleiche Ambivalenz finden wir in der Neuzeit wieder, nämlich bei Blaise Pascal: Es gebe, so schreibt er in seinen Pensées, „im Menschen sowohl irgendeinen mächtigen Grund der Größe, als auch […] einen mächtigen Grund des Elends“ – „Welche Wirrnis, was für ein Ding des Widerspruchs!“ – „Die einen sagen: schaut auf zu Gott, seht, wem ihr gleicht und wer euch schuf […] Ihm könnt ihr ähnlich werden […] Und die anderen lehren ihn: Schlagt die Augen nieder zur Erde, kümmerliches Gewürm […]. Was also wird der Mensch werden?“[1]
Das ist die Frage, die sich heute, in einer Zeit damals noch ungeahnter technologischer Möglichkeiten, in noch ganz anderer Weise stellt.