Ausgabe September 2024

Genozid als politischer Kampfbegriff

Ein Protestschild mit dem Konterfei von Joe Biden und der Unterschrift »Genocide Joe« in Washington D.C., 8.6.2024 (IMAGO / ZUMA Press Wire / Probal Rashid)

Bild: Ein Protestschild mit dem Konterfei von Joe Biden und der Unterschrift »Genocide Joe« in Washington D.C., 8.6.2024 (IMAGO / ZUMA Press Wire / Probal Rashid)

Am 3. August 2024 jährte sich der Genozid an den Jesid:innen durch den Islamischen Staat (IS) zum zehnten Mal. Der Genozid in Ruanda liegt nun 30 Jahre zurück, der Genozid des Deutschen Reichs an den Herero und Nama im heutigen Namibia begann vor 120 Jahren. Doch nicht diese traurigen Jahrestage sind der Grund, dass der Begriff des Genozids gerade wieder in aller Munde ist. Vielmehr geht es um den aktuellen Gazakrieg. „Stop the Genocide“ ist zu einer allgegenwärtigen Parole in Social Media und auf Demonstrationen geworden. Der Vorwurf: Israel begehe in Gaza einen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung. Zugleich wird auch das Massaker der Hamas vom 7. Oktober, das den Krieg ausgelöst hat, immer wieder als Genozid bezeichnet.

In der Diskussion wird der Begriff dabei oft unscharf bis irreführend verwendet. Genozid ist ein Straftatbestand des internationalen Rechts und wird in der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords definiert als „Handlungen, die in der Absicht begangen werden, eine ethnische, rassische, religiöse oder nationale Gruppe entweder teilweise oder als Ganzes zu zerstören“.

»Blätter«-Ausgabe 9/2024

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Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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