Ausgabe Oktober 2025

Türkisch-kurdischer Konflikt: Friedensrhetorik und Kriegslogik

Eine Gruppe der PKK vernichtet Waffen im Nordirak, 11.7.2025 (IMAGO / Anadolu Agency)

Bild: Eine Gruppe der PKK vernichtet Waffen im Nordirak, 11.7.2025 (IMAGO / Anadolu Agency)

Am 11. Juli 2025 legten dreißig Guerillakämpfer und -kämpferinnen der Kurdischen Arbeiterpartei PKK ihre Waffen nieder. Vor laufenden Kameras verbrannten sie in einer Zeremonie ihre Sturmgewehre. Das in der Nähe der kurdischen Stadt Slemanî an der iranisch-irakischen Grenze entzündete Feuer knüpfte an das Newroz-Feuer an, das jährlich zum kurdischen Neujahrsfest entfacht wird und einen Neuanfang symbolisiert. Damit folgte der bewaffnete Arm der kurdischen Bewegung dem Aufruf seines inhaftierten Anführers Abdullah Öcalan. Im Zuge der seit Oktober 2024 laufenden Annäherung zwischen der türkischen Regierung und kurdischen Akteuren hatte dieser sich aus der Haft heraus für eine Entwaffnung der PKK ausgesprochen. 

In einer Zeit, in der weltweit massiv aufgerüstet und militärische Macht als politisches Kapital ins Zentrum rückt, erscheint das Bekenntnis zur Entwaffnung einer Guerillabewegung ungewöhnlich, wenn nicht sogar anachronistisch. Doch es verweist auf eine seit den 1990er Jahren fortlaufende ideologische Transformation der kurdischen Mobilisierung, die Militanz nicht als Selbstzweck betrachtet, sondern als Teil eines umfassenden Emanzipationsprojekts. Gewalt soll in diesem Projekt nur zur Selbstverteidigung angewendet werden – der politische Fokus aber liegt auf dem Aufbau einer demokratischen Gesellschaft.

»Blätter«-Ausgabe 10/2025

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Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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