Ausgabe Februar 2006

Links anziehen, rechts marschieren

Wenn die NPD oder die „Freien Nationalisten“ marschieren, sind alle mit dabei: Vom greisen „Nazi-Opa“ über den biederen Fahrlehrer und den klassischen Nazi-Skin bis hin zu langhaarigen Rechtsrockern und schließlich den urbanen „autonomen Nationalisten“ im Antifa-Outfit. Jeder findet in der Szene seinen Platz.

Lange Zeit galt die Zersplitterung des organisierten Rechtsextremismus vor allem als strukturelles Problem, heute dagegen ist die Heterogenität der einzelnen Gruppierungen im politischen Alltag selbstverständlich geworden. Mehr noch: Auffällig ist die strategische Etablierung vermeintlich „linker“ Symbole und Dresscodes neben den klassischen rechtsextremen Symbolwelten. Abbildungen von Rudolph Hess und Che Guevara, Reichsadler und „Palästinensertuch“, HJ-Scheitel und Ziegenbart – alles ist möglich.

In der Tat sind in den vergangen Jahren, spätestens seit dem Jahr 2000, linke Bewegungsthemen und -symbole zum festen Bestandteil des rechtsextremen Lifestyles geworden. Insbesondere in urbanen Ballungsgebieten erscheinen Rechte in linkem Outfit und diskutieren linke Themen wie Globalisierung, Antiimperialismus oder den Palästinakonflikt.

Diese Veränderung kann als das (Zwischen-) Ergebnis eines inhaltlichen und ästhetischen Wandlungs- und Ausdifferenzierungsprozesses in der rechtsextremen Szene selbst interpretiert werden.

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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