Ausgabe September 2015

Die inneren Werte

Einen solchen Paukenschlag hat man von Amnesty International schon lange nicht mehr vernommen: Sexarbeit müsse endlich weltweit entkriminalisiert werden, fordert die Menschenrechtsorganisation. Prompt empörten sich erwartungsgemäß „Emmas“ Alice Schwarzer sowie die „Koalition gegen Frauenhandel“, der internationale Filmstars wie Meryl Streep und Kate Winslet angehören. Sie befürchten, dass davon vor allem Frauenhändler, Zuhälter und Bordellbetreiber profitieren. Hurenorganisationen, Human Rights Watch und der Deutsche Frauenrat begrüßten die Resolution hingegen: Sie hoffen auf einen besseren Schutz von Prostituierten.

Die Fronten sind somit wieder einmal klar. Allerdings übersehen beide Seiten, dass die Entwicklung bereits an ihnen vorbeigaloppiert ist: Die digitale Gründerszene mit Wurzeln im Silicon Valley – Vermarkter von allem, was bei drei nicht auf den Bäumen ist – greift nach Taxis und Hotels nun auch das letzte verbliebene Fleckchen des urbanen Lebens an: die Bordelle.

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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