Trotz der hohen Popularität von US-Präsident Bush und der satten Selbstgefälligkeit der Republikaner sei eine optimistische These gewagt: Es gibt guten Grund zu der Hoffnung, daß links-reformerische Bewegungen in den 90er Jahren stärkeren Einfluß auf den politischen Entscheidungsprozeß der USA nehmen werden. Im Dezember 1989 prognostizierte der Konsumentenaktivist Ralph Nader gar, daß amerikanische "Politiker vom Ausmaß der kommenden Proteste so überrascht sein werden wie osteuropäische Regierungen über die Proteste in ihren Ländern". Zwei Faktoren haben dem im weitesten Sinn linken Spektrum Auftrieb gegeben: das Ende des Kalten Krieges und die wachsende Unzufriedenheit der US-Bevölkerung mit den Alternativen, die sich in ihrem politischen System bieten. Die Bedeutung der Ideologie des Kalten Krieges im politischen Leben der USA kann kaum unterschätzt werden. Mit Warnungen vor dem "Kommunismus" rechtfertigten Politiker Kriege und Hochrüstung, machten sie "sozialistisch" und selbst "liberal" zu Schimpfwörtern und bremsten "linke" Strömungen und Organisationen, seien es der Gewerkschaftsverband AFL-CIO oder die Bürgerrechts und Friedensbewegung.
In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist.