I
Das Problem ist, daß man die Frage, was von der DDR bleiben wird, was "einbringbar" ist in die Vereinigung, gegenwärtig von Tag zu Tag neu beantworten muß. Vor zwei Monaten hätte ich auf diese Frage noch ganz anders geantwortet als heute. Heute sehe ich, was die uns Frauen spezifisch angehenden Fragen betrifft, sehr, sehr pessimistisch in die Zukunft. Der Unabhängige Frauenverband ist, als er am 3. Dezember 1989 in der Volksbühne zum ersten Mal an die Öffentlichkeit ging, mit einer Zukunftsvision aufgetreten mit der Illusion, von dem in der DDR erreichten Niveau aus nach vorne denkend die Situation der Frauen verbessern zu können.
Heute aber haben wir nicht nur diese Vision verloren, wir müssen sogar Tag für Tag erleben, wie schon ganz normale Dinge, die zum Standard geworden waren, aufgegeben werden, wegrationalisiert und wegradiert werden. Das fängt an bei Pressemeldungen über wachsende Frauenarbeitslosigkeit. Das geht weiter mit dem selbstherrlichen Vorgehen neuer Eigentümer in Sachen Betriebskindergärten, Betriebskinderkrippen. Weiter gibt es das Eindringen von sexistischer Literatur in die DDR, die Ausbreitung von Prostitution... Wir sind also in der Situation, von den Visionen wegkommen und Gegenstrategien entwickeln zu müssen gegen den Abbau bereits erreichter Standards. Schwer zu sagen, was eigentlich bleiben wird...