Ausgabe Mai 1990

Beitritt nach Artikel 23.

Erklärung von bundesdeutschen Staatsrechtlern (Wortlaut)

Auf dem Grundgesetz ruht die Hoffnung der Deutschen in Ost und West. Das Grundgesetz, die erfolgreichste Verfassung der deutschen Geschichte, hat den Deutschen der Bundesrepublik die freiheitliche und stabile Demokratie gebracht, die rechtsstaatliche Gewähr von Menschenwürde und Menschenrecht, Wohlstand und soziale Sicherheit. Über das Grundgesetz ist die Bundesrepublik Deutschland eingetreten in die auf Freiheit und Demokratie gegründete Wertegemeinschaft Europas.

Für diese Werte stand und steht die friedliche Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik. Mit ihr öffnet sich das Tor zur deutschen Einheit. Die nationale und staatliche Einheit Deutschlands fordert die Verfassungseinheit, ohne die sich auch Wirtschafts-, Währungsund Sozialunion nicht verwirklichen lassen. Das Grundgesetz kennt zwei Wege zur Einheit: zum einen den Weg über seine Ablösung durch eine neue, gesamtdeutsche Verfassung (Artikel 146), zum anderen den Weg, über den die Deutschen in der DDR in freier Selbstbestimmung den Beitritt zum Verfassungsstaat des Grundgesetzes erklären (Artikel 23). Über einen Beitritt entscheiden die Deutschen in der DDR. Das ist allein ihre Sache.

Auf diesem Weg zur Einheit hält Artikel 23 breiten Spielraum offen für schonende Übergänge, für einen gerechten Ausgleich der Interessen, gegebenenfalls für eine stufenweise Inkraftsetzung des Grundgesetzes. Darüber werden sich beide Seiten in gleichberechtigten Verhandlungen zu verständigen haben. Der Weg über den Beitritt führt die DDR unmittelbar in die Europäische Gemeinschaft. Er bewahrt neben der innenpolitischen auch die außenpolitische Verläßlichkeit der Deutschen. Dagegen kann der Weg über eine neue Verfassunggebung zu Unsicherheiten führen - mit Gefahren für die innere Stabilität und für das Vertrauen der Völkergemeinschaft. Auf beides jedoch sind die Deutschen in dieser Stunde ihrer bisher größten Herausforderung angewiesen.

Die Unterzeichner, Professoren des Staatsrechts an deutschen Universitäten, sind überzeugt: Der Beitritt nach Artikel 23 ist der richtige Weg zur deutschen Einheit.

Unterzeichner: Otto Bachof (Tübingen), Peter Badura (München), Richard Bartlsperger (Erlangen), Wilfried Berg (Bayreuth), Rudolf Bernhardt (Heidelberg), Herbert Bethge (Passau), Willi Blümel (Speyer), Dieter Blumenwitz (Würzburg), Rüdiger Breuer (Trier), Winfried Brohm (Konstanz), Georg Brunner (Köln), Joachim Burmeister (Saarbrücken), Axel Frhr. von Campenhausen (Göttingen), Armin Dittmann (Stuttgart), Karl Doehring (Heidelberg), Rudolf Dolzer (Mannheim), Ralf Dreier (Göttingen), Günter Dürig (Tübingen), Wilfried Fiedler (Saarbrücken), Karl Heinrich Friauf (Köln), Jochen A. Frowein (Heidelberg), Volkmar Götz (Göttingen), Gilbert Gornig (Göttingen), Eberhard Grabitz (Berlin), Wilhelm Grewe (Bonn), Chnstoph Gusy (Mainz), Hugo J. Hahn (Würzburg), Kay Hailbronner (Konstanz), Görg Haverkate (Heidelberg), Matthias Herdegen (Bonn), Josef Isensee (Bonn), Joseph H. Kaiser (Freiburg), Ulrich Karpen (Hamburg), Otto Kimminich (Regensburg), Wilhelm Kewenig (Frankfurt), Ferdinand Kirchhof (Tübingen), Paul Kirchhof (Heidelberg), Gunter Kisker (Gießen), Eckart Klein (Mainz), Hans Hugo Klein (Göttingen), Wolfgang Knies (Saarbrücken), Franz Knöpfle (Augsburg), Franz-Ludwig Knemeyer (Würzhurg), Klaus König (Speyer), Martin Kriele (Köln), Klaus Kröger (Gießen), Hartmut Krüger (Köln), Philip Kunig (Berlin), Peter Lerche (München), Heinz-Christoph Link (Erlangen), Joseph Listl (Augsburg), Wolfgang Löwer (Bonn), Dieter Lorenz (Konstanz), Wolfgang Loschelder (Bochum), Boris Meissner (Köln), Wilhelm Mößle (Bayreuth), Hermann Mosler (Heidelberg), Reinhard Mußgnug (Heidelberg), Albert von Mutius (Kiel), Michael Nierhaus (Konstanz), Martin Oldiges (Bielefeld), Thomas Oppermann (Tübingen), Fritz Ossenbühl (Bonn), Hans-Jürgen Papier (Bielefeld), Dietrich Pirson (Munchen), Helmut Quaritsch (Speyer), Albrecht Randelshofer (Berlin), Dietrich Rauschning (Göttingen), Hans-Werner Rengeling (Osnabrück), Georg Ress (Saarbrücken), Michael Ronellenfitsch (Bonn), Walter Rudolf (Mainz), Hans Heinrich Rupp (Mainz), Michael Sachs (Augsburg), Jürgen Salzwedel (Bonn), Andreas Sattler (Göttingen), Hartmut Schiedermair (Köln), Reiner Schmidt (Augsburg), Eberhard SchmidtAßmann (Heidelberg), Walter Schmitt Glaeser (Bayreuth), Hans Schneider (Heidelberg), Rupert Scholz (München), Meinhard Schröder (Trier), Peter Selmer (Hamburg), Hermann Soell (Regensburg), Christian Starck (Göttingen), Rolf Stober (Münster), Torsten Stein (Heidelberg), Helmut Steinberger (Mannheim), Udo Steiner (Regensburg), Klaus Stern (Köln), Peter J. Tettinger (Bochum), Chnstian Tomuschat (Bonn), Christoph Trzaskalik (Mainz), GeorgChristoph von Unruh (Kiel), Thomas Würtenberger (Freiburg), Peter Weides (Köln), Rudolf Wendt (Saarbrücken), Hans F. Zacher (München), Gottfried Zieger (Göttingen), Reinold Zippelius (Erlangen).

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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