Die Kartographen haben Hochsaison, und gegenwärtig muß man sich fragen, ob es überhaupt noch Zweck hat, neue Staatenkarten vom Kontinent zu drucken, wo sich innerhalb von Monaten, wenn nicht Wochen neue Länder bilden. Auf jeden Fall sind alle seit Ende der 40er Jahre entstandenen, je nach Weltanschauung und Bündniszugehörigkeit kolorierten Darstellungen Makulatur. Die Standardformel, der Kalte Krieg sei vorüber und die System-Konfrontation überwunden, trifft die Realität nur halb, denn heute kommt es darauf an, die Zukunft zu gestalten und nicht, wie dies bei der Trägheit der (westlichen) Regierungsbürokratie naturgemäß der Fall ist, zu beklagen, daß es jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs weder Berechenbarkeit noch Stabilität gibt.
Verwunderlich ist das weitgehende Verharren in den alten Denkweisen nicht, schließlich hat seit 1917/18 in Europa keine Revolution mehr stattgefunden, nur Staatsstreiche, gewaltsame Besetzungen, Ablösungen von Militär-Diktaturen. Die staatstragenden Kräfte waren außer Übung und sie gerieten außer Atem, als die Völker im Osten des Kontinents ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen - und dank der völlig unbeabsichtigten Konsequenzen der Perestroika Gorbatschows auch nehmen konnten.