Ausgabe Oktober 1991

Die neue politische Landkarte Europas

Die Kartographen haben Hochsaison, und gegenwärtig muß man sich fragen, ob es überhaupt noch Zweck hat, neue Staatenkarten vom Kontinent zu drucken, wo sich innerhalb von Monaten, wenn nicht Wochen neue Länder bilden. Auf jeden Fall sind alle seit Ende der 40er Jahre entstandenen, je nach Weltanschauung und Bündniszugehörigkeit kolorierten Darstellungen Makulatur. Die Standardformel, der Kalte Krieg sei vorüber und die System-Konfrontation überwunden, trifft die Realität nur halb, denn heute kommt es darauf an, die Zukunft zu gestalten und nicht, wie dies bei der Trägheit der (westlichen) Regierungsbürokratie naturgemäß der Fall ist, zu beklagen, daß es jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs weder Berechenbarkeit noch Stabilität gibt.

Verwunderlich ist das weitgehende Verharren in den alten Denkweisen nicht, schließlich hat seit 1917/18 in Europa keine Revolution mehr stattgefunden, nur Staatsstreiche, gewaltsame Besetzungen, Ablösungen von Militär-Diktaturen. Die staatstragenden Kräfte waren außer Übung und sie gerieten außer Atem, als die Völker im Osten des Kontinents ihr Schicksal selbst in die Hand nahmen - und dank der völlig unbeabsichtigten Konsequenzen der Perestroika Gorbatschows auch nehmen konnten.

Oktober 1991

Sie haben etwa 12% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 88% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema