Die deutsch-deutsche Debatte nimmt seit einiger Zeit, kriminalisierend und moralisierend, Dimensionen an, über die dringend nachzudenken ist: auch über Gefahren und Folgewirkungen, die keiner der Anreger etwa der Tribunaldiskussion wollen kann - jedenfalls kaum, soweit es sich um Bürgerrechtler handelt. Besorgte Stimmen, das Stasi-Syndrom könne ansteckend wirken, wie Leichengift, sind wohl nicht ernst genug genommen worden.
1. Geschichtsloses Reden von Geschichte
So geschichtslos ist selten über Geschichte geredet worden. Noch gleicht, was sich als die neueste deutsche Geschichtsdebatte ankündigt, einer Gespensterschlacht im luftleeren Raum. Etwas von ihrer Unwirklichkeit könnte sie loswerden, würden die Teilnehmer der Auseinandersetzung sich bemühen, die historische Realität der vier "umstrittenen" Jahrzehnte wieder einzublenden.
Denn die DDR, und was aus ihr geworden ist, wird sich ohne den zeitgeschichtlichen Kontext und die weltpolitischen Rahmenbedingungen von 1945, 1949, 1961 ebenso wie von 1970 und 1989 kaum begreifen lassen. Das betrifft aber auch jede Aufarbeitung, deren Ziele nicht Abrechnung, Rache, neue Runden der Existenzvernichtung sind, sondern tatsächlich Begreifen, Verstehen, Umdenken, Versöhnung und (Re-)Integration.