Die modellpolitische Konkurrenz Türkei-Iran und die Zukunft der islamischen Welt
Ein tektonisches Beben zerreißt die politische Oberfläche zwischen dem Balkan und der chinesischen Grenze. Das Gefüge der Staaten, das im Gefolge des Ersten Weltkrieges geschaffen worden war, ist aufgebrochen (Jugoslawien; Sowjetunion) oder kommt zunehmend unter Druck (Länderdreieck Türkei Irak - Iran). Konflikte und Instabilität sind fürs erste die Folge und werden noch lange anhalten. Das Ausmaß an Gewalttätigkeit, von dem dieses Beben weithin begleitet wird, ist bezeichnend für das Ausmaß an Gewalt, mit dem die "heile Welt" der letzten Jahrzehnte erhalten wurde. Dabei geht es in der ganzen Region um nichts Elementareres, als daß sich Menschen selbst finden und zugleich politisch organisieren müssen. Im Hinblick darauf zeigen Nation und Nationalstaat gegenwärtig die größte Anziehungskraft. Die Suche nach einer eigenen Identität, verbunden mit der Neuzeichnung der politischen Landkarte, hat schon jetzt zur Herausbildung eines neuen politischen und kulturellen Großraums zwischen dem Bosporus im Westen und dem Hindukusch im Osten geführt - zwei Jahre, nachdem der Kollaps der Sowjetunion unabwendbar wurde. Mit dem Entstehen der Staaten zwischen Aserbaidschan und Kirgisien (die kleinen christlichen Staaten Georgien und Armenien nehmen eine Sonderstellung ein) ist zugleich die Frage der Ordnung der Beziehungen dieser neuen Staaten untereinander gestellt.