Ausgabe August 1993

Politische Erklärung des Weltwirtschaftsgipfels in Tokio vom 8. Juli 1993

1. Wir, die Staats- und Regierungschefs unserer sieben Länder und die Vertreter der Europäischen Gemeinschaft, bekräftigen unser Bekenntnis zu den weltweit gültigen Prinzipien der Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Seit unserem letzten Treffen in München ist der Prozeß der Demokratisierung und wirtschaftlichen Reform weiter gediehen Dennoch treten immer noch Instabilität und Konflikte auf, die ihre Wurzeln vielfach in der Vergangenheit haben. Wir sind zur Zusammenarbeit entschlossen, um eine sicherere und menschlichere Welt zu schaffen, indem wir die internationale Zusammenarbeit auf der Grundlage einer umfassenderen Partnerschaft und eines größeren Aktionsfeldes verstärken.

2. Die Völkergemeinschaft setzt sich aktiv für die Verbesserung der Instrumente zur Verhütung und Lösung von Konflikten ein. Die Vereinten Nationen, die für die Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit von ausschlaggebender Bedeutung sind, müssen weiter gestärkt werden und sich an die sich wandelnden internationalen Gegebenheiten anpassen. Wir unterstützen daher die laufenden Bemühungen in den Vereinten Nationen, ihre Effizienz zu verbessern und insbesondere im Zusammenhang mit der "Agenda für den Frieden" des Generalsekretärs die Fähigkeit ihrer Institutionen in bezug auf präventive Diplomatie, Wiederherstellung des Friedens, Friedenssicherung und Friedenschaffung nach einem Konflikt effektiver zu entwickeln.

3. Wir unterstützen nachhaltig die regionale Zusammenarbeit bei der Förderung von Frieden, Demokratie und Stabilität. Wir begrüßen es, daß Staaten aus Asien und der Pazifikregion eine aktivere Rolle bei der Förderung des Dialogs über regionale Sicherheit spielen. Regionale Organisationen in Europa Afrika und Amerika leisten bedeutende Beiträge.

4. Der Schutz der Menschenrechte ist die Pflicht aller Staaten, wie dies auf der Weltmenschenrechtskonferenz in Wien bekräftigt wurde. Die gestiegene Zahl von Flüchtlingen und Vertriebenen sowie die Probleme im Zusammenhang mit einer unkontrollierten Migration und die Schwierigkeiten, denen sich nationale Minderheiten gegenübersehen, erfordern dringend die Aufmerksamkeit der Völkergemeinschaft und sollten unter Berücksichtigung ihrer eigentlichen Ursachen angegangen werden. Der Terrorismus stellt, insbesondere wenn er von Staaten unterstützt wird eine ernste Gefahr dar, der wir entschieden entgegentreten werden.

5. Bei der Förderung unserer partnerschaftlichen Zusammenarbeit sollten die Reformen in den früheren zentral gelenkten Volkswirtschaften weiter unterstützt werden. Wir sehen der Schaffung demokratischer, stabiler und wirtschaftlich gesunder Gesellschaften in diesen Staaten entgegen. Wir unterstützen entschieden die entschlossenen Reformbemühungen Rußlands unter der Leitung von Präsident Jelzin und seiner Regierung. Wir erwarten von Rußland auch, daß es seine Diplomatie auf der Grundlage von Recht und Gerechtigkeit fördert und weiterhin eine konstruktive und verantwortungsbewußte Rolle in der Völkergemeinschaft spielt. Wir unterstützen ferner den Reformprozeß in der Ukraine und hoffen, daß das jüngste Zusammentreffen zwischen Präsident Jelzin und Präsident Krawtschuk eine Grundlage für eine weitere Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern schafft.

6. Eine verstärkte Zusammenarbeit ist notwendig, um die Gefahr der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und Flugkörpern zu bekämpfen. Insbesondere - fordern wir Nordkorea nachdrücklich auf, unverzüglich seinen Beschluß zurückzunehmen aus dem Atomwaffensperrvertrag (NVV) auszutreten, und seinen Nichtverbreitungsverpflichtungen einschließlich der Durchführung des IAEO-Abkommens über Sicherungsmaßnahmen und der gemeinsamen Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel in vollem Umfang nachzukommen; - bestärken wir die betroffenen Länder der ehemaligen Sowjetunion darin, die rasche und sichere Beseitigung von Kernwaffen im Einklang mit bestehenden Übereinkünften zu gewährleisten, und wir leisten zu diesem Zweck effektive Unterstützung; - fordern wir die Ukraine mit Nachdruck auf, den START-Vertrag zu ratifizieren, und rufen die Ukraine und Kasachstan auf, dem NVV als Nichtkernwaffenstaaten beizutreten. Wir setzen ferner unsere Bemühungen fort, das Nichtverbreitungsregime einschließlich des Trägertechnologie-Regimes zu stärken und wirksame Exportkontrollen festzulegen. Wir bekräftigen die Ziele eines universellen Beitritts zum NVV sowie der unbegrenzten Verlängerung des Vertrags im Jahre 1995 und der Reduzierung von Kernwaffen. Ferner rufen wir diejenigen Länder, die dies noch nicht getan haben, auf, das Übereinkommen über chemische Waffen zu unterzeichnen und dem Übereinkommen über biologische Waffen beizutreten. Im Bereich der konventionellen Waffen werden wir darauf hinwirken, daß das UN- Register für konventionelle Waffen als ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Verbesserung der Transparenz und der Zurückhaltung bei der Weitergabe dieser Waffen wirksam funktioniert.

7. Angesichts der sich rasch verschlechternden Lage im ehemaligen Jugoslawien bekräftigen wir unser Bekenntnis zur territorialen Integrität von Bosnien-Herzegowina und zu einer auf den Grundsätzen der Londoner Konferenz beruhenden Verhandlungslösung. Wir können einer von den Serben und Kroaten diktierten Lösung, die zu Lasten der bosnischen Muslime geht, nicht zustimmen. Wir werden keine territoriale Lösung akzeptieren, die nicht die Zustimmung der drei Parteien findet.

Wenn die Serben und Kroaten weiterhin darauf bestehen, Bosnien durch gewaltsame Grenzänderungen oder ethnische Säuberungen zu zerstückeln, werden sie sich selbst außerhalb der internationalen Gemeinschaft stellen und können keinerlei wirtschaftliche oder kommerzielle Unterstützung, insbesondere Hilfe für den Wiederaufbau, erwarten. Die Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen betreffend Sicherheitszonen müssen unverzüglich und in vollem Umfang durchgeführt werden, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Wir verpflichten uns, den Generalsekretär der Vereinten Nationen bei der Umsetzung der Resolution 836 des Sicherheitsrats durch Entsendung von Truppen, durch den Schutz von UNPROFOR aus der Luft, durch finanzielle und logistische Beiträge oder durch geeignete diplomatische Maßnahmen zu unterstützen. Die Sanktionen sollten so lange beibehalten werden, bis die Bedingungen der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats erfüllt sind. Härtere Maßnahmen werden nicht ausgeschlossen. Die humanitären Hilfsmaßnahmen für Bosnien müssen verstärkt werden. Tief besorgt über die Lage im Kosovo fordern wir die serbische Regierung auf, ihre Entscheidung, die KSZE-Beobachter aus dem Kosovo und aus anderen Regionen in Serbien auszuweisen, zurückzunehmen und einer beträchtlichen Erhöhung ihrer Zahl zuzustimmen.

8. Wir begrüßen die erfolgreich durchgeführten Wahlen in Kambodscha und die Ankündigung, daß eine Provisorische Nationale Regierung eingesetzt worden ist, an die sich die Einsetzung einer Regierung auf der Grundlage einer neuen Verfassung, die im Einklang mit der Pariser Übereinkunft zu erlassen ist, anschließen soll. Wir werden weiterhin den Wiederaufbau des Landes unterstützen und für dauerhaften Frieden auf der Grundlage einer nationalen Versöhnung eintreten.

9. Wir unterstützen uneingeschränkt die Bemühungen um eine umfassende und dauerhafte Friedensregelung im Nahen Osten und rufen Israel und die arabischen Staaten auf, weitere Schritte zur Vertrauensbildung zu unternehmen. Wir bekräftigen, daß der arabische Boykott beendet werden sollte. Wir rufen Israel auf, seine Verpflichtungen in bezug auf die besetzten Gebiete zu achten. Wir unterstützen die Wiederaufbaubemühungen im Libanon. Wir unterstützen die Wiedereinsetzung der rechtmäßigen Regierung in Haiti und würdigen die diesbezüglichen Anstrengungen der Vereinten Nationen und der OAS. Wir sind entschlossen, weiterhin Druck auf den Irak und Libyen auszuüben, damit sie alle einschlägigen Resolutionen in vollem Umfang durchführen. Besorgt über Aspekte des Verhaltens des Iran rufen wir die iranische Regierung auf, sich konstruktiv an den internationalen Bemühungen um Frieden und Stabilität zu beteiligen und Handlungen einzustellen, die diesen Zielen entgegenstehen. Wir begrüßen die in letzter Zeit in Südafrika erzielten Fortschritte in Richtung auf eine Demokratie ohne Rassenschranken, die Südafrika den Weg zu seiner vollständigen Wiedereingliederung in die internationale politische und wirtschaftliche Gemeinschaft ebnen.

10. In einer interdependenten Welt ist Partnerschaft der Schlüssel zur Schaffung von Frieden und Wohlstand weltweit. Wir verpflichten uns, neue Anstrengungen zu unternehmen, um zur Gestaltung einer sichereren und menschlicheren Welt beizutragen, und fordern andere nachdrücklich auf, sich daran zu beteiligen.

Aktuelle Ausgabe Oktober 2025

In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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