Ausgabe Mai 1993

Die Erosion der deutschen Demokratie aus ihrer Mitte heraus

"Mir fällt keiner mehr ein, Dregger ist halt auch älter geworden. Strauß lebt nicht mehr. Wallmann ist nicht mehr in der Politik... Es ist doch interessant, daß ich langsam der einzige bin, über den man sich in diesem Zusammenhang überhaupt noch Gedanken macht. Das beweist doch, daß hier eine große Lücke ist, und zwar im personellen Bereich." (Gerhard Mayer-Vorfelder, CDU, Januar 1993)

Das einmal tief erschrockene Kind erwartet das Gespenst immer an derselben Tür: Nach dem Weimarer Schock nahm sich das politische System der Bundesrepublik vor den beiden Extremen in acht. Professionelle Verfassungsschützer, antifaschistische Sensationsjournalisten, Politiker der Inneren Sicherheit und das politische Kaffeekränzchen, alle starren jetzt auf die "rechte Gefahr". Sie sind besorgt und oftmals schon gelähmt, wenn Schläger im Nazikostüm und als Republikaner getarnte Biedermänner die Muskeln spielen lassen. In der Weimarer Optik ist das liberale, demokratische System im Kern gesund. Fäulnis und Krankheit kommen immer von den Rändern. Helmut Kohls Kommentar zu "Rostock", dort seien "Extremisten" am Werk gewesen, paßt in diese Wehr-Optik, auch daß er die Drahtzieher der Rechten anfangs bei den Werwölfen der Staatssicherheit im Unruhestand wähnte.

Mai 1993

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In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

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