Deutschland begründen
Die Aufklärung wußte noch, daß ein Staat durch den Vertrag gegründet wird, den seine Bürger untereinander schließen. Auch Wolfgang Schäuble hat wohl davon gehört, daß ein Vertrag den Staat macht. In kühner Anleihe bei Rousseau gibt er seinem Bericht "Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte" den Titel "Der Vertrag".
Aber das war kein Vertrag der Bürger, sondern einer zwischen zwei gewieften Buchmachern. Den Bürgern liegt die deutsche Einheit sowieso im Blut. Selbst wenn sie es nicht wissen, können sie als Deutsche gar nichts anderes wollen. Sie sind eine Schicksalsgemeinschaft. Und wenn es 45 Jahre lang keine Gemeinschaft des Schicksals gab, so bleibt doch immer das Schicksal einer unentrinnbaren Gemeinschaft. Das deutsche Volk ist ein Organismus, der ganz von allein wieder zur Volksgemeinschaft zusammenwachsen wird, wenn man ihn nur sich selbst überläßt. Mit der Aufklärung haben wir Deutschen sowieso nichts im Sinn. Das wissen wir seit der Romantik, daß mit dem Gesellschaftsvertrag kein deutscher Staat zu machen ist. Brauchen wir auch nicht.
Denn wir sind durch Natur, Kultur und Geschichte ein Volk. Das banale politische Geschäft erledigt schon die Obrigkeit. Notfalls wird eben mit nationaler Emphase nachgeholfen.