Ausgabe Mai 1994

Rechts und Links

Zum Sinn einer politischen Unterscheidung

Bei dem nachfolgenden Text handelt es sich um einen Auszug aus der jüngsten Veröffentlichung des italienischen Philosophen, politischen Theoretikers und Senators auf Lebenszeit Norberto Bobbio, "Destra e sinistra. Ragioni e significati di una distinzione politica" (Rechts und Links. Gründe und Bedeutung einer politischen Unterscheidung), im Kern um das resümierende Kapitel "Gleichheit und Freiheit". In seiner äußerst erfolgreichen kleinen Arbeit - binnen weniger Wochen stürmte sie alle Bestsellerlisten - versucht Bobbio Gründe darzulegen, wieso die Unterscheidung zwischen Rechts und Links in der Politik auch heute Sinn macht: Nicht mehr allein und auch nicht vor allem als eine Frage der Substanz, sondern funktional, als Muster der Orientierung und der Zielsetzung der unterschiedlichen politischen Lager. Es entbehrt nicht der Kuriosität, daß es ausgerechnet ein Theoretiker ist, der ursprünglich eher aus der konservativ-liberalen Ecke kommt (und auch heute mit Sozialismus und Kommunismus als solchen nichts am Hut hat), einen solchen Versuch unternimmt und, wie wir finden, durchaus überzeugende Gründe dafür liefert, während hingegen eine verstörte, über sich selbst verunsicherte Linke längst schon das Bemühen aufgegeben zu haben scheint, einen neuen, linken, Standort für sich in der Epoche nach dem "Realsozialismus" zu definieren.

Mai 1994

Sie haben etwa 6% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 94% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Vom Proletariat zum Pöbel: Das neue reaktionäre Subjekt

von Micha Brumlik

Gewiss, es waren keineswegs nur Mitglieder der US-amerikanischen weißen Arbeiterklasse, die Donald Trump an die Macht gebracht haben. Und doch waren es auch und nicht zuletzt eben jene Arbeiter und Arbeitslosen – und genau hier liegt das eigentliche Erschrecken für die Linke.