
Bild: Slobodan Milošević und Radovan Karadžić bei den Bosnien-Friedensverhandlungen in Genf, 24.1.1994 (IMAGO / Allstar)
Es herrschte keine Freude bei der bosnisch-herzegowinischen Regierungsdelegation am 22. November 1995 auf dem Wright-Patterson-Luftwaffenstützpunkt in Dayton. Eben hatte sie dem Friedensabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien, die noch aus Serbien und Montenegro bestand, und Kroatien zugestimmt, doch sie fühlte sich betrogen. Kurz nach der Unterzeichnung des Abkommens sagte der bosnische Präsident Alija Izetbegović: „Meinem Volk sage ich, das ist womöglich kein gerechter Frieden. Aber er ist gerechter als die Fortsetzung des Krieges. In der derzeitigen Situation und der aktuellen Weltlage konnte kein besserer Frieden erreicht werden.“
Westliche Beobachter empfanden diese Sätze als undankbar. Hatte man doch auf dem Balkan nach einem vier Jahre dauernden Blutvergießen dem Schlachten ein Ende bereitet. Besonders die US-Regierung unter Präsident Bill Clinton zeigte sich stolz auf das Ergebnis. Wozu die Europäer nicht in der Lage gewesen waren, vollbrachte die einzig verbliebene Weltmacht jener Tage. Doch das Schweigen der Waffen war gleichzeitig eine Abkehr von liberalen Werten, von international vereinbarten Menschenrechten. Der Dayton-Vertrag, als Provisorium gedacht, läutete damit das Ende des kurzen Aufschwungs des internationalen Rechts ein, der gerade erst mit dem Jugoslawientribunal von 1993 gefeiert worden war und 1998 noch zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs geführt hatte.