Ausgabe Februar 1995

Die Weise vom sittlichen Staat.

Warum bei Sibylle Tönnies einiges durcheinandergeht

Dem Historiker stellen sich intellektuelle Debatten als eine Art Choreographie der Umorientierung oder (bestenfalls) des Umdenkens dar. Das Hin und Her von Argumenten und der Positionswechsel von Personen lassen veränderte Problemlagen und sich neu verbindende Koalitionen erkennen. Solche Debatten sind keine herrschaftsfreien Diskurse. Sie werden meist asymmetrisch geführt; d.h. der eine Teil findet in der Regel größere mediale Akzeptanz oder gar machtvollen institutionellen Rückhalt.

So haben die Vorstellungen der einen Seite in der Regel eine größere Verbreitung und einen stärkeren "Nachdruck" als die der anderen. Intellektuelle Debatten kann man "pushen", aber nicht erfinden. Sie ziehen nur dann Aufmerksamkeit an sich, wenn sie in ihre Zeit "passen"; was aber nicht heißen muß, daß sie ihre Zeit begrifflich verarbeiten. Besonders aufschlußreich ist es, wenn dem Verlauf einer Debatte unter Berufung auf ein aktuelles Ereignis von historischer Dimension eine andere Richtung gegeben werden kann, wenn dadurch die Möglichkeit besteht, die eigene Definitions- und Zurechnungsmacht zu stärken und die Gegenseite mit dem Verdacht des moralisch Verwerflichen zu überziehen. Das ist bei der Frage, was man nun von den 68ern und ihrem Verhältnis zur Bundesrepublik halten soll, der Fall.

Februar 1995

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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