Ausgabe Januar 1995

Dokumente zum Verhältnis SPD/PDS.

Antwort der PSD vom 27.Oktober 1994 auf das Positionspapier der SPD

1. Die PDS steht auf dem Boden des Grundgesetzes und der Landesverfassung. Sie ist eine die Landesverfassung konstituierende politische Kraft und hat sich ohne Vorbehalt, ohne Wenn und Aber aktiv an deren Ausarbeitung beteiligt. Die PDS achtet die verfassungsmäßigen Grundrechte und die in den Artikeln 20 und 28 des Grundgesetzes verankerten Grundsätze, die sie für unveräußerlich hält. Wir teilen den Standpunkt, daß die Nichtbeachtung von Grundrechten sowie unkontrollierte und unkontrollierbare diktatorische Machtausübung eine wesentliche Ursache für die Fehlentwicklung und den Untergang dar DDR waren. Die Opfer dieser Fehlentwicklung haben Anspruch auf Rehabilitation.

2. Die PDS bekannt sich zur Landesverfassung, an deren Ausarbeitung sie beteiligt war und die durch den Volksentscheid vom 12. Juni 1994 beschlossen ist. Die PDS hat im Zusammenhang mit der Diskussion um die Regierungsbildung nicht die Absicht, "Runde Tische" als Institution zu errichten und damit die gewählten Vertretungen auszuhöhlen oder abzuwerten. Sie ist allerdings der Auffassung, daß es im Interesse eines politischen Kurswechsels im Lande und der Möglichkeit einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung nötig ist, einen Stil des Regierens im Geiste der Runden Tische von 1989/90 einzufahren: umfassende Konsultation der im Parlament vorhandenen Kräfte und der außerparlamentarischen Kräfte mit dem Ziel der Konsensbildung, mehr Demokratie wagen, Integration befördern, Transparenz von Parlament und Verwaltung.

Insbesondere könnten damit auch die politischen Kräfte Berücksichtigung erfahren, die nicht mehr im Landtag vertreten sind. Die PDS vertritt die Meinung und setzt sich weiter dafür ein, daß die Landesverfassung nachgebessert werden sollte: durch die verbindlichere und stichhaltigere Verankerung sozialer Rechte als Staatsziele, wie sie die Brandenburger Landesverfassung enthält, durch erleichterte Bedingungen für das Zustandekommen demokratischer Entscheidungen im Sinne direkter Demokratie, d.h. Plebiszite, Referenden u.ä., durch weitergehende Bestimmungen über die Öffentlichkeit des Parlaments und der Verwaltung, durch erweiterte Akteneinsichtsrechte und die Möglichkeit der Verbandsklage. Die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit solcher Veränderungen könnte nach Ansicht der PDS durch eine Sachverständigengruppe geklärt werden. Die PDS setzt dabei auf Sachlichkeit.

Im übrigen gestattet es die Landesverfassung ausdrücklich den politischen Kräften, nach Verfassungsänderungen zu streben und dazu die entsprechenden Mehrheiten zu bilden. Darauf verweist beispielsweise direkt die Präambel, in der ausdrücklich als Aufgabe der Zukunftsgestaltung bezeichnet ist, ein sozial gerechtes Gemeinwesen zu schaffen..." Dieser Auftrag der Landesverfassung ist aus unserer Sicht nach wie vor unzulänglich erfüllt und harrt der Gestaltung.

3. Die Vereinigung von KPD und SPD zur SED im Jahre 1946 verlieh dem Streben sehr vieler Mitglieder der beiden Parteien nach Gemeinsamkeit und organisatorischer Einheit als Lehre aus dem Faschismus Ausdruck. Ebenso gab es viele Mitglieder der SPD und KPD, die die Vereinigung nicht wollten. Sie wurden erheblichem und ungerechtfertigtem Druck ausgesetzt.

Ob das Wort von der "Zwangsvereinigung" gerechtfertigt ist, sollte die Diskussion zwischen den Parteien unter Hinzuziehung von Historikern klären. Es ist bittere historische Wahrheit, daß durch maßgebliche Kreise der SED während und nach der Vereinigung von 1946 Sozialdemokraten Verfolgungen und Repressalien erleiden mußten sowie aus dem politischen Leben ausgeschaltet wurden. Die PDS insgesamt wie auch der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern haben auf Parteitagen seit 1990, in Erklärungen und Verlautbarungen ihr Bedauern hierüber und ihre Entschuldigung dafür zum Ausdruck gebracht, Wir verweisen in diesem Zusammenhang darauf, daß nicht wenige Kommunisten nach 1945 von denselben oder ähnlichen Repressalien und Verbrechen betroffen wurden wie Mitglieder und Funktionäre der SPD. Als Rechtsnachfolgerin der SED bekennt die PDS ihre Verantwortung auch dafür und weiß, daß sie diese ihre Verantwortung nur durch eigene Erneuerung und glaubhaftes demokratisches Wirken abtragen kann. Dazu hat sie den festen Willen. Die PDS betrachtet die Drangsalierung von Sozialdemokraten - wie jegliche politische Ausgrenzungen - als mit ihrer Programmatik und ihrem Wollen für unvereinbar. Wir vertreten die Auffassung, daß die historischen Prozesse der Vereinigung und der Nachfolgezeit weiter untersucht werden müssen und auch die historischen und aktuellen Bewertungen geprüft werden sollten. Wir teilen die Auffassung, daß es bei der Vereinigung von KPD und SPD und in der Folgezeit schwerwiegende politische Entstellungen und Entartungen gegeben hat.

4. Die PDS ist eine demokratische und pluralistische Partei, in der es Plattformen, Strömungen und Flügel gibt. So gibt es z.B. eine kommunistische wie eine sozialdemokratische und ökologische Plattform. Dies steht in völliger Übereinstimmung mit dem Programm und Statut der PDS, die keine Ausgrenzung von Strömungen zulassen, soweit und solange diese sich an die Beschlüsse der Partei halten. Obwohl der vieldeutig gebrauchte Begriff "Kommunismus" durch die Praxis und das Scheitern des Staatssozialismus sowie durch den Stalinismus schwer diskreditiert worden ist, gibt es keinen Grund, Kommunisten generell die Fähigkeit abzusprechen, Demokraten zu sein. Sie sind wie andere Menschen lern- und erkenntnisfähig, um aus Vergangenem und eigenem Erleben entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

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