Zur Kontroverse über die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil von 1992 den bisher im Einkommensteuergesetz geltenden Grundfreibetrag, auf den keine Steuer erhoben wird, für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, bis spätestens 1996 diesen steuerfreien Betrag an das allgemein geltende erheblich höhere Existenzminimum anzugleichen. Zur inhaltlichen Bewältigung dieser insgesamt komplizierten Anpassung hatte der Bundesfinanzminister die sogenannte Bareis-Kommission, nach ihrem Vorsitzenden benannt, damit beauftragt, eine Lösung vorzuschlagen.
Die im November 1994 unterbreiteten Vorstellungen dieser „Einkommensteuerkommission zur Steuerfreistellung des Existenzminimums ab 1996 und zur Reform der Einkommensteuer" sind unmittelbar nach ihrer Vorlage in geradezu spektakulär schroffer Weise durch den auftraggebenden Bundesfinanzminister zurückgewiesen worden. Statt dessen präsentierte dieser ein von den Vorstellungen der Bareis-Kommission stark abweichendes Modell. Trotz heftiger Kritik nicht nur aus der Finanzpolitik, sondern auch der Finanzwissenschaft ist Waigels Ansatz in den Ende Januar 1994 vorgelegten „Entwurf zu einem Jahressteuergesetz 1996" aufgenommen worden. Die vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagene Änderung ist steuersystematisch und verteilungspolitisch nicht akzeptabel.