Ausgabe Mai 1996

Globalismus, Nationalismus und monetäres Völkerrecht

Für ein Maastricht der Weltwährungen

Das christliche Mittelalter hatte seinen Anti-Christ. Spätere aufgeklärtere Zeiten verwandelten ihn in Freimaurer, Judentum und Finanzkapital. Im gerade zu Ende gegangenen halben Jahrhundert der Doppel-Theologie (Kalter Krieg) spielte das jeweils andere Lager diese Rolle. Und heute, da mit 50jähriger Verspätung die bereits zu Ende des Zweiten Weltkriegs von Keynes und seinen Getreuen vorausgesehene "One World" Wirklichkeit geworden ist, da machen linke Aufklärer - von Johanno Strasser bis zu Horst Afheldt 1) - den Globalismus der Güter- und Finanzmärkte als Doppelfeind nationaler Entwicklung und des sie begleitenden nationalen Wohlfahrtsstaates aus. Der gänzlich unregulierte und seinem Wildwuchs überlassene kapitalistische Weltmarkt verfestigt einerseits den Konkurrenz- und Produktivitätsvorsprung der arrivierten westlichen Industrieländer - ihrer Multis, Banken und Konsumerismus-Zentralen - und nimmt so Dritter wie ehemals Zweiter, inzwischen post-kommunisbscher Reformstaaten-Welt jede genuine Aufhol- und Entwicklungschance; sie sind und bleiben Peripherie und haben als Marktökonomien nur eine Chance - Ressourcen billig zu liefern und sonst nicht verwertbaren industriellen Ramsch möglichst teuer abzunehmen.

Aber der wie der Geist aus der Flasche seinen nationalen und liberalen Erzeugern entwichene (staatenlose) WeltFinanzkapitalismus rächt sich an diesen.

Mai 1996

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Dividenden statt Investitionen

von Aurora Li, Michael Peters, Uwe Zöllner

Ob bei der Wasserversorgung, in der Pflege oder im Gesundheitssektor: Bereits seit einigen Jahrzehnten kommt es selbst in systemrelevanten Bereichen immer wieder zu Privatisierungen – bei denen die kurzfristige Gewinnmaximierung zugunsten der Investoren oftmals das Geschäft bestimmt.

Von der Silicon Valley Bank zur Credit Suisse: Finanzmarktkrise 2.0?

von Rudolf Hickel

Fünfzehn Jahre nach der Finanzmarktkrise, die im September 2008 durch die Lehman-Pleite ausgelöst wurde und die Weltwirtschaft beinahe zum Absturz brachte, drohen erneut massive Turbulenzen im Kasinokapitalismus. In den USA erschütterte der Crash eines zuvor ziemlich unbekannten regionalen Spezialinstituts, der Silicon Valley Bank (SVB), die Finanzmärkte.