Es ist nur ein gutes halbes Jahr her, da waren sich die politischen Kommentatoren einig, daß die Partei Bündnis 90/Die Grünen als "dritte politische Kraft" (Heribert Prantl) den Platz der FDP im parlamentarischen Gefüge einnehmen würde und sich damit die politischen Gewichte in Deutschland zu einer "Mehrheit links von der Mitte" (Willy Brandt) hin verschieben würden. Angesichts der Ergebnisse dreier Landtagswahlen am 24. März 1996, die insgesamt immerhin gut einem Drittel aller Wahlberechtigten die Möglichkeit zu einem Urnengang gegeben haben, muß die politische Situation neu bewertet werden. Gegen jede Erwartung hat sich die Lage der Liberalen in allen drei Bundesländern stabilisiert: In Rheinland-Pfalz wird die Koalition mit den Sozialdemokraten unwillig, aber gemäß dem Wahlversprechen fortgesetzt werden, in Baden-Württemberg löst eine christlich-liberale Koalition die Große Koalition ab und Schleswig-Holsteins Liberale leisten sich selbstbewußt den Luxus, über eine Regierungskoalition mit der SPD nicht einmal reden zu wollen. Diese Veränderungen wirken sich natürlich auch auf die Lage der Bonner FDP aus: Während vor nicht allzulanger Zeit die Gerüchteküche vom baldigen Ende der Koalition und damit der KohlHerrschaft wissen wollte, wären derartige Spekulationen heute dem allgemeinen Gelächter preisgegeben.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.