Ausgabe November 1997

Amerikanische Altlasten

Wohl kein Präsident seit Lyndon Johnson hat sich so intensiv mit dem Thema Rassismus beschäftigt wie Bill Clinton, ein Sohn des Südens, der als Kind die amerikanische Apartheid mit ihren rassengetrennten Restaurants und Parkbänken hautnah miterlebt hatte. Clintons und Johnsons Rassismusinitiativen unterscheiden sich aber in einem wesentlichen Punkt: Johnson hat in den 60er Jahren Bürgerrechtsgesetze unterzeichnet, Clinton redet den Bürgern ins Gewissen. Er hat seine Landsleute schon ein halbes Dutzend mal angefleht, in sich zu gehen, und Abschied zu nehmen von Vorurteilen. "Wir haben die gesetzlichen Barrieren der Diskriminierung und des Rassismus niedergerissen", erklärte Clinton bei seiner Grundsatzrede in San Diego im Juni zum Auftakt eines "nationalen Dialoges über Rassenfragen". "Jetzt müssen wir die Barrieren in unseren Köpfen und Herzen niederreißen". In einem Fernsehinterview gab Clinton sogar kund, daß er die Nachkommen der afrikanischen Sklaven möglicherweise im Namen der USA um Verzeihung bitten werde.

Der Zeitpunkt für eine "offene Aussprache" über Rassismus sei günstig, da in den USA derzeit keine "Krisenatmosphäre" herrsche wie vor dreißig Jahren. Damals hatte Johnson nach Aufständen in den Gettos eine nationale Rassismuskommission unter Vorsitz von Gouverneur Otto Kerner einberufen.

November 1997

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