Ausgabe Dezember 1998

Wye Plantation ist nicht Camp David

Nahostgipfel im Oktober 1998 am Wye River: Abgeschieden der Konferenzort und ausgeschlossen die Presse - darin erschöpft sich auch schon die Parallele zu Camp David. Auf dem Landsitz des amerikanischen Präsidenten einigten sich 1978 der israelische Regierungschef Mechachim Begin und der ägyptische Präsident Anwar el Saddat auf die Rückgabe des israelisch besetzten Sinai an Ägypten; die Vermittlungsleistung Jimmy Carters wurde ein Jahr später vom ersten Friedensvertrag gekrönt, den Israel mit einem seiner arabischen Nachbarn schloß. Zwanzig Jahre später kann von einem großen Wurf wie in Camp David nicht die Rede sein. In der ländlichen Idylle an der Chesapeake Bay ging es vielmehr darum, den israelisch-palästinensischen Friedensprozeß aus dem Koma zu erwecken. Denn fünfzig Jahre nach Gründung des Staates Israel und fünf Jahre, nachdem Itzhak Rabin und Yassir Arafat vor dem Weißen Haus einander und der Welt versprochen hatten, die Jahrhundertfeindschaft zwischen Israelis und Palästinensern begraben zu wollen, drohte dem Versuch, die palästinensische Hypothek auf dem Verhandlungswege abzutragen, der Offenbarungseid.

Dezember 1998

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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