Ausgabe Februar 1999

Präzedenzfall Pinochet

Das finstere Gesicht mit der Sonnenbrille, das aus dem Uniformrock ragt, der sog. 68er-Generation wohl bekannt, ist seit Mitte Oktober wieder öfter auf den Bildschirmen zu sehen und prangt erneut auf Titelseiten. Porträt eines Monsters, das 1973 die Weltbühne betrat. Nicht nur in den Schwarzbüchern von damals ist nachzulesen, was geschah, nachdem die Bomben auf den Monedapalast fielen, die die Regierung Allende auslöschten und mit ihr die Hoffnungen auf ein erstmals in regulären Wahlen installiertes sozialistisches Modell: Chile. Hunderte von Seiten detaillierter UNO-Berichte schildern das Leiden unzähliger Getöteter, Gefolterter, auf Nimmerwiedersehen Verschwundener. General Augusto Pinochet wird in London am 17. Oktober 1998 aufgrund eines in Spanien erlassenen internationalen Haftbefehls festgenommen. Immunität eines ehemaligen Staatsoberhauptes brauche ihm nicht eingeräumt zu werden, stellt am 25. November die höchste richterliche Instanz, eine Kammer des Oberhauses (3:2) gegen eine Entscheidung der ersten Instanz fest. Der Innenminister will dem Auslieferungsantrag Spaniens entsprechen. Es gibt doch noch, wenn auch späte Gerechtigkeit, und offensichtlich auch noch Betroffene in aller Welt, die jubeln - und Anhänger Pinochets, die vor Empörung aufschreien. Die Medien überschlagen sich.

Februar 1999

Sie haben etwa 7% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 93% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Verbrecherische Komplizen: Libyen und die EU

von Sigrun Matthiesen, Allison West

Es war ein Tiefpunkt in der Geschichte der Seenotrettung: 20 Minuten lang beschoss am 24. August ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache die Ocean Viking, ein Rettungsschiff der Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée.