Am 24. März verkündete das Appellate Committee des britischen Oberhauses, das höchste Gericht im Rechtssystem Großbritanniens, sein Urteil im Fall Pinochet: Der Senator auf Lebenszeit und ehemalige Militärdiktator Chiles, Augusto Pinochet, darf an Spanien ausgeliefert werden, um dort wegen Folter vor Gericht gestellt zu werden. 1) Weitere Anklagepunkte im spanischen Auslieferungsgesuch - einschließlich Mord, versuchter Mord und Geiselnahme ließ die Mehrheit der Richter nicht gelten. Das Urteil wurde zunächst von Anhängern und Gegnern des ehemaligen Generals gleichermaßen als Triumph gefeiert - eine verblüffende Reaktion, die einige Kommentatoren dazu veranlaßte, von einem salomonischen Urteil zu sprechen. Konfus wäre eine treffendere Bezeichnung; als Meilenstein in der Entwicklung des internationalen Schutzes der Menschenrechte wird das Urteil gewiß nicht in die Rechtsgeschichte eingehen. Trotz der hervorragenden Bedeutung dieses Präzedenzfalles ist es schwer vorstellbar, daß die Rechtssprechung der Lordrichter Einfluß auf Entscheidungen ausländischer Gerichte ausüben wird - obwohl die internationale Rechtssprechung eine wichtige Quelle des Völkerrechts darstellt und gerade im Fall Pinochet starke Berücksichtigung fand. Britische Gerichte, die an das Urteil gebunden sind, werden Mühe haben, es umzusetzen.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.