Geradezu enthusiastisch feiert die französische Presse – von „La Croix“ bis „L ́Humanité“ – seit seinem Erscheinen im vergangenen Herbst ein Buch, das in der Bundesrepublik bislang kaum zur Kenntnis genommen wurde und dessen Entstehung hierzulande auch schwer vorstellbar erscheint. Schon der Titel „Le nouvel esprit du capitalisme“ dürfte eher befremden, obgleich die Autoren – Luc Boltanski und Ève Chiapello – mit ihm einem deutschen Klassiker ihre Reverenz erweisen: Max Webers „Die protestantische Ethik und der ‚Geist‘ des Kapitalismus“. Bei dem 800-Seiten-Wälzer aus den Editions Gallimard handelt es sich um das Ergebnis eines 1995, im Jahr der französischen Herbststreiks, begonnenen Forschungsprojekts, das die Förderung der Handelsakademie HEC (École des hautes études commerciales) und der École de hautes études en sciences sociales (EHESS) genoß, beides Pariser Eliteinstitutionen. Luc Boltanski gilt als „Dissident“ aus der Schule Pierre Bourdieus, Ève Chiapello reussierte mit einem Buch über Management und „künstlerische Kritik“, letztere eine für die hier vorzustellende Studie zentrale Kategorie („Artistes versus managers. Le management culturel face à la critique artiste“, Paris 1998).
In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn.