Ausgabe April 2000

Briefe an die grüne Basis

Offener Brief von Jürgen Trittin vom 9. März 2000 (Auszüge)

[...]

Alle 19 Atomkraftwerke in Deutschland besitzen unbefristete Betriebsgenehmigungen. Deshalb heißt es im Koalitionsvertrag: "Als dritten Schritt wird die Koalition nach Ablauf dieser Frist ein Gesetz einbringen, mit dem der Ausstieg aus der Kernenergienutzung entschädigungsfrei geregelt wird; dazu werden die Betriebsgenehmigungen zeitlich befristet." Lange Zeit war umstritten, ob die Betriebsgenehmigungen rechtlich einwandfrei nachträglich befristet werden können. Nachdem die Betreiber die Verhandlungen im letzten Sommer mit der Begründung abgelehnt hatten, sie wollten zunächst wissen, was ihnen im Falle des Dissenses drohe, wurde diese Frage in der Koalition einer Klärung zugeführt.

Nach monatelangen Prüfungen tragen die Verfassungsressorts Justiz und Innen sowie das Kanzleramt und das Wirtschaftsministerium die vom Umweltministerium ausgearbeitete Linie mit. Eine solche nachträgliche Befristung ist keine Enteignung, sondern eine zulässige, am Allgemeinwohl orientierte Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Das Grundrecht auf Berufsfreiheit steht dem ebenso wenig entgegen, wie der Euratomvertrag. Sie bietet keine Grundlage für Entschädigungsforderungen. Notwendige Voraussetzung ist, dass nicht in die Substanz des Eigentums eingegriffen wird.

Sie haben etwa 18% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 82% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema