Ausgabe März 2000

Kompromiß ohne Verantwortung

Es hatte so hoffnungsvoll angefangen. In ihrer Koalitionsvereinbarung vereinbarten die Fraktionen der rot-grünen Bundesregierung 1998 die Einrichtung einer Bundesstiftung "Entschädigung für NSZwangsarbeit" unter Beteiligung der deutschen Wirtschaft. Die Umsetzung dieses Projektes ist seither an eine Selbsthilfegruppe der deutschen Wirtschaft unter dem klangvollen Titel Stiftungsinitiative "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" delegiert. Diese Initiative glaubte ursprünglich, die Entsorgung ihrer Geschichte für zwei Milliarden Mark einkaufen zu können. Die Überlebenden sollten davon gerade einmal die Hälfte bekommen, mit der anderen wollte man Zukunftsprojekte finanzieren. Ganz so günstig war der Ablaß denn doch nicht zu haben. Auf einem mit beträchtlichem Aufwand inszenierten PR-Event am 17. Dezember 1999 wurde das amtliche Endergebnis des einjährigen Ringens um die späte Kompensation der ehemaligen Sklaven bekannt gegeben: Zehn Milliarden Mark, je zur Hälfte aufgebracht von Wirtschaft und öffentlicher Hand, sollen eine zukünftige Bundesstiftung speisen.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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von Sergej Lebedew

Vor fünfzig Jahren, am 1. August 1975, wurde mit der Unterzeichnung des Abkommens von Helsinki die Unverletzlichkeit der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Grenzen anerkannt. Wie wir wissen, dauerte die Ordnung von Helsinki etwa fünfzehn Jahre. Die Sowjetunion hörte auf zu existieren, und die Länder Ost- und Mitteleuropas fanden ihren Weg zu Freiheit und Eigenstaatlichkeit.