Ausgabe Juli 2001

Berlin bleibt nicht Berlin

Wer hätte das im Oktober 1990 zu prophezeien gewagt? Keine elf Jahre nach der Wiedervereinigung spricht vieles dafür, daß die PDS an der nächsten Berliner Landesregierung beteiligt sein wird. Die "Frontstadt Berlin" ist damit endgültig passé. Dabei konnte man es schon nicht mehr hören: Das hohle Lied vom Ende des alten West-Berlin. Gar zu lange zog sich dieses Dahinscheiden hin. Noch nach jeder neuen Degradierung Klaus Landowskys, vom Bankvorsitzenden zum Nur-Noch-Fraktionsvorsitzenden zum Nur-Noch-Parteivize, wurde der Abschiedssong halb wehmütig-nostalgisch, halb keck-triumphierend intoniert. Was zunächst wie eine typische Berliner Provinzposse aus dem Geist des Kalten Krieges erschien, die nur vor dem Hintergrund einer jahrzehntelang subventionierten Berliner Klüngelwirtschaft gedeihen konnte, weitete sich zum größten Banken- und Regierungsskandal aus. Und mit der Aufkündigung der großen Koalition und dem Ende der Ara Landowsky/Diepgen ist es jetzt tatsächlich regierungsamtlich: So wie Berlin während der vergangenen fast 20 Jahre regiert wurde, wird es nicht wieder sein. 16 Jahre Diepgen, nur kurz unterbrochen durch die rot-grüne Momper-Episode, gehören mit der Wahl des rot-grünen Übergangssenats unwiderruflich der Vergangenheit an.

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In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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