Der gegenwärtige Prozess gegen den ehemaligen jugoslawischen Staatspräsidenten Milošević vor dem Tribunal in Den Haag ist ein dringender Anlass, sich grundsätzliche Gedanken über die Wege oder Abwege zu machen, die die internationale Gerichtsbarkeit derzeit einschlägt. Denn es handelt sich um ein noch junges Projekt der Kriegsjustiz vor dem Hintergrund einer Geschichte der Globalisierung militärischer Auseinandersetzungen, die nicht erst mit dem Ersten Weltkrieg 1914 beginnt. Sieger haben immer schon über die Besiegten zu Gericht gesessen. Das Bedürfnis jedoch, eine universelle Verantwortlichkeit und Haftung für Verbrechen im Krieg einzuführen, ist erst mit der Internationalisierung der Schlachtfelder und den zunehmend unkontrollierbar und grausamer werdenden Auswirkungen der modernen Waffentechnologie im 20. Jh. aufgekommen.
1. Kriegsverbrechen und die internationale Rechtsordnung
Als erstes völkerrechtliches Abkommen hat die IV. Haager Konvention im Jahr 1907 eine Individualhaftung für Kriegsverbrechen (Art. 3) formuliert, allerdings noch ohne Strafverfolgung. Diese sollte erstmals im Versailler Vertrag von 1919 gegen die Verantwortlichen des Weltkrieges als internationales Kriegsverbrecherverfahren praktiziert werden. Nach Art. 227 ff. sollten Kaiser Wilhelm II.