Ausgabe Dezember 2002

Das wunderbare Überleben

1939: Die deutschen Truppen erreichen die polnische Hauptstadt Warschau. Der Pianist Wladyslaw Szpilman spielt gerade im Rundfunkstudio, als eine Bombe das Haus trifft. Am Beispiel dessen gut situierter Familie entfaltet Roman Polanski die unmenschliche Logik des Holocaust. Juden dürfen ihre Berufe nicht mehr ausüben, ihr Besitz wird beschlagnahmt, sie werden gedemütigt und schließlich ins Ghetto verschleppt. Von dort fahren täglich die Züge ins Vernichtungslager. Polanski inszeniert die Szenen des Terrors so klar, schonungslos und überzeugend, dass sie für den Zuschauer den Rang von eigenen Erlebnissen annehmen können. Ihre Glaubwürdigkeit ist an die Lebendigkeit der Bilder nationalsozialistischer Unterdrückung gebunden, die das kollektive Bewusstsein (immer noch) bereithält. Dass Der Pianist sie nachhaltig reaktiviert, ist ein nicht zu unterschätzendes Verdienst.

Polanski erzählt die Geschichte des wirklichen Szpilman. Der gehörte, wie Polanski selbst, zu den 20 – von 360000 Bewohnern –, die das Ghetto und den Krieg überlebt haben. Es fällt auf, dass im Mittelpunkt neuerer Filme zum Thema, so etwa Das Leben ist schön oder Steven Spielbergs Schindlers Liste, stets gerettete Opfer stehen – und „anständige“ Deutsche. Beide waren historische Ausnahmen, die fiktive Welt des kommerziellen Spielfilms scheint jedoch auf sie angewiesen zu sein.

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Aktuelle Ausgabe Dezember 2025

In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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