Ausgabe Juli 2002

Zwei Idealisten gegen den Vatikan

Der Stellvertreter, das ist ein Theaterstück und das war mal ein Theaterskandal. Vielleicht kaufte deshalb eine italienische Filmproduktionsfirma damals flugs die Rechte an dem "Stoff". Warum er jetzt erst verfilmt wurde, wäre auch eine Frage, der nachzugehen lohnte... Rolf Hochhuth wagt in seinem Stück, das Verhalten von Papst Pius XII. (dem "Stellvertreter" Gottes auf Erden) angesichts des Holocaust zu kritisieren. Nach intensiven Recherchen konnte er in dem Stück beweisen, dass die katholische Kirche und der Papst damals ohne öffentlichen Protest zusahen, wie zuletzt sogar in Rom die Juden abtransportiert wurden - obwohl sie wussten, wohin die Reise der Deportierten ging. Dabei ist weniger die Frage wichtig, was oder wie viel ein Protest hätte verhindern können. Hochhuth prangerte vielmehr die prekäre Doppelfunktion der Kirche an: moralische Weltinstanz mit göttlicher Legitimation einerseits; Eignerin von Kapital und Besitztümern sowie Staat mit entsprechenden Interessen andererseits. Hochhuth nutzte die Institution Theater dazu, eine politische Diskussion zu entfachen.

In der Debatte meldeten sich neben den Verteidigern der Kirche sehr bald Kritiker zu Wort, die die dramaturgische Umsetzung thematisierten.

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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