Nach der jüngst erfolgten Einigung über Eckpunkte der "Gesundheitsreform" 1 nahm Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) für sich in Anspruch, eine "eindeutig sozialdemokratische Reform" in die Wege geleitet zu haben, während die CDU-Vorsitzende Angela Merkel behauptete, der Kompromiss trage "die Handschrift der Union". Ein offenkundiger Widerspruch? Mitnichten. Denn die Vorstellungen der beiden großen "Volksparteien" darüber, wie der deutsche Sozialstaat nach dessen Umbau auszusehen habe, sind sich mittlerweile so ähnlich, dass beide Parteien mit Fug und Recht behaupten dürfen, dies sei "ihre" Reform. Die große christsozialdemokratische Koalition der "Modernisierer" hat – mit freundlicher Unterstützung der beiden kleinen, wirtschaftsliberalen Parteien – eine "sorgsam ausgewogene Balance" (Bundeskanzler Gerhard Schröder), sprich: einen "tragfähigen Kompromiss" (Unionsunterhändler Horst Seehofer) zur Aushöhlung des solidarischen Krankenversicherungswesens gefunden.
In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.