Ausgabe Dezember 2004

Liberal Hawk Down - Wider die linken Falken

Die Niederlage der Demokratischen Partei bei den Präsidentschaftswahlen 2004 dürfte letztlich darauf zurückzuführen sein, dass sie dem Drängen der Bush-Administration zum Krieg im Irak nicht widerstanden hat. Die Erinnerung daran machte John Kerry verwundbar gegenüber den höhnischen "Flip- Flop"-Rufen, die auf jeder Bush-Wahlversammlung zu hören waren - und dies zugegebenermaßen nicht ganz zu Unrecht. Wie auch immer das Mischungsverhältnis aus Furcht und Opportunismus ausgesehen haben mag: Viele Demokraten, die im Grunde ihres Herzens gegen den Krieg waren, nahmen angesichts der Welle nationalistischer Erregung, die nach 9/11 aufbrandete, in den Jahren 2002/2003 an, eine Antikriegshaltung würde sich politisch nicht durchhalten lassen.

Es wäre allerdings unfair, das außenpolitische Establishment der Demokraten insgesamt des Zynismus zu beschuldigen. Das Problem sind mächtige Gruppen innerhalb dieses Establishments, die nicht nur die Kriegspläne der Administration geteilt haben und weiterhin teilen, sondern auch den größten Teil der neokonservativen Philosophie und ihrer Agenda für die internationalen Beziehungen. Einige dieser Demokraten - vor allem Intellektuelle, die zu den "liberal hawks" zählen - trugen erheblich dazu bei, dem Krieg öffentlichen Rückhalt zu verschaffen.

Sie haben etwa 4% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 96% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (3.00€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Gaza: Hält der erzwungene Frieden?

von Ignaz Szlacheta

Erst als am 13. Oktober morgens die 20 noch lebenden Geiseln freigelassen worden waren und kurz darauf auch knapp 2000 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikamen, wich die Anspannung. Vorher beschrieb der katarische Nachrichtensender Al-Araby die Stimmung im Gazastreifen als einen „Zustand des Wartens und der Wachsamkeit, begleitet von großer Zuversicht“.

Gaza und die Ära der Straflosigkeit

von Seyla Benhabib

Künftige Historikerinnen und Historiker, die auf den Israel-Gaza-Konflikt zurückblicken, werden möglicherweise erkennen, dass dieser Konflikt an der Schnittstelle dreier Entwicklungen steht, die gemeinsam das Koordinatensystem der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten internationalen Institutionen völlig verschoben und eine neue Ära eingeläutet haben.