Ausgabe Juni 2004

Die Befehlskette nach Abu Ghraib

Die Folterung irakischer Gefangener in Abu Ghraib wirft eine Frage auf, die weit über die Auswirkungen der Affäre auf die Wiederwahlchancen George W. Bushs hinausreicht. Es geht dabei um die Art und Weise, wie der so genannte Krieg gegen den Terror geführt wird, um die Werte und Einstellungen, die diese Kriegführung kennzeichnen, sowie um gewisse Aspekte der amerikanischen Militärdoktrin und -Indoktrination.

Welchen Anteil hat die Politik der Bush-Administration an jener Geistesverfassung und Moral des amerikanischen Militärs, die der Folter, dem Missbrauch und in manchen Fällen offenkundig sogar der Ermordung Gefangener den Weg bereitete? Die gegenwärtige Administration ist von Anfang an, schon vor 9/11, dem Völkerrecht und solchen Vertragsverpflichtungen mit Feindseligkeit begegnet, die ihrer Meinung nach die nationale Souveränität der USA einschränken oder nationalen Interessen Amerikas im Wege stehen.

In Afghanistan verbrachte sie während des dortigen Krieges Gefangene geschlossen außer Landes, besonders nach Guántanamo, ohne die Fälle im Einzelnen ernsthaft zu prüfen. Sie verstieß damit gegen die Genfer Regeln zur Behandlung von Kriegsgefangenen. Auch die in den USA normalerweise geltenden Rechtsnormen wurden und werden bis heute ignoriert: zeitgerechte Anklageerhebung, rechtsanwaltliche Vertretung und unparteiliche Judikatur.

Sie haben etwa 20% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 80% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Der Preis der Freiheit: Politische Gefangene in Belarus

von Olga Bubich

Es war eine große Überraschung für weite Teile der internationalen Gemeinschaft: Am 21. Juni ließ das belarussische Regime 14 politische Gefangene frei. Unter ihnen befand sich Siarhei Tsikhanouski, der 2020 verhaftet wurde, um seine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen zu verhindern.