Das ambivalente Gedenken der Kriegskindergeneration
Der dem Rechtsradikalismus zuneigende Historiker Ernst Nolte beklagte vor gut 20 Jahren, dass die nationalsozialistische Vergangenheit nicht vergehen wolle. Daran war so viel richtig, als historische Vergangenheiten nur so weit präsent und lebendig sind, wie es Menschen gibt, die sich ihrer erinnern wollen. Dieser Wille zur Erinnerung – wie auch der Wille zur Verdrängung – wird in aller Regel umso stärker sein, je mehr Menschen (noch) leben, die das, was zu erinnern ist, selbst miterlebt haben. Zeitzeugen aller Art werden uns noch viele Jahre begleiten – auch wenn sie weniger werden. Täter werden ebenfalls noch längere Zeit in dieser Gesellschaft leben – die jüngsten Wehrmachtssoldaten, die den Nationalsozialismus verteidigten, und SS-Männer, die seine Verbrechen exekutierten, gehen in diesen Jahren auf ihren 80. Geburtstag zu. Umgekehrt sind die Schülerinnen und Schüler, die über Auschwitz Bescheid wissen sollen und können, um 1990, nach dem Fall der Berliner Mauer, geboren. Sie sind mit der Generation der Täter oft nur noch als Enkel oder Urenkel verwandt, in vielen Fällen – als Kinder aus Immigrantenfamilien – überhaupt nicht. 60 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz rücken die dort und anderswo begangenen Verbrechen unwiderruflich in den Bereich des Historischen, des Gewesenen.