Ausgabe Juni 2006

Auf der Suche nach einer europäischen jüdischen Identität

Als ich zum ersten Mal den Begriff "europäische jüdische Identität" hörte, war ich verblüfft, dann begeistert. Es war kurz nach dem Mauerfall 1989. Ich kam aus Ostberlin und war auf einer jüdischen Tagung in London, fühlte mich urplötzlich in eine große, mir unbekannte und doch vertraute Familie aufgenommen, deren angereiste Mitglieder auch aus den USA und Israel kamen, die meisten aber Europäer waren.

Obgleich seit Jahren in der DDR in jüdischen Belangen in und außerhalb der Religionsgemeinde aktiv, hatte ich mich einem eingefahrenen, schier ausweglos rückwärts gewandten Denken angeschlossen, das auch ich - mangels besseren Wissens - für das einzig denkbare, ja wahrhaftig Jüdische hielt. Ich hatte Anfang der 70er Jahre begonnen, dem nachzuspüren, was man damals modisch als "jüdische Wurzeln" bezeichnete. Die westliche Identitätssuche war auf uns übergeschwappt, und doch ging die eigene Debatte zunächst in die falsche Richtung. Wir, die Intellektuellen aus jüdischen Familien, hatten andere Themen verinnerlicht, die vom Ende des Kolonialismus bis zu den unbeantworteten Fragen an den Aufbau des Sozialismus reichten. Unsere jüdische Identität war in der deutschen Vergangenheit begraben. Ihr war schwer auf die Spur zu kommen. Wer etwas wusste, hielt sich zurück.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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