Ausgabe Oktober 2006

„Eine Friedenstruppe kann nur ein Pflaster sein“

(Gespräch)

* Herr Primor, wie geht es weiter im Nahen Osten, was hat sich durch den Libanonkrieg verändert? Oder hat sich überhaupt nichts verändert und wir stehen weiter vor dem altbekannten Scherbenhaufen, der nur noch etwas größer geworden ist? Primor: Ob sich etwas geändert hat, werden wir bald wissen.

* Herr Primor, wie geht es weiter im Nahen Osten, was hat sich durch den Libanonkrieg verändert? Oder hat sich überhaupt nichts verändert und wir stehen weiter vor dem altbekannten Scherbenhaufen, der nur noch etwas größer geworden ist?

Primor: Ob sich etwas geändert hat, werden wir bald wissen. Viele Leute sind jedenfalls fest davon überzeugt, dass alles so bleiben wird, wie es ist: Jeder rüstet wieder auf und wartet auf die nächste Runde. Es gibt aber auch Beispiele in der Geschichte für das Gegenteil. 1973 nach dem Jom-Kippur- Krieg war die Lage ein wenig so wie heute. Wir Israelis hatten den Krieg mit großen Niederlagen begonnen und erst am Ende Fortschritte erzielt, aber auch Ägypten hatte das Gefühl, den Krieg gewonnen zu haben. Das hat den Friedensprozess zwischen Ägypten und Israel überhaupt erst ermöglicht. Sadat hätte es sich 1977 nicht leisten können, nach Jerusalem zu kommen, um uns in großer symbolischer Geste die Hand zu reichen, wenn er den Krieg damals verloren hätte.

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In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.

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