Ausgabe Oktober 2008

Schildknappe Europa

Im Herbst 1962 wollte Nikita Chruschtschow, der Partei- und Regierungschef der Sowjetunion, den Amerikanern „ein bißchen von ihrer eigenen Medizin verabreichen“. Auf Kuba ließ er atomar bestückte Raketen aufstellen, die auf die USA gerichtet wurden, sein Ziel war militärische und politische Parität. Wie amerikanische atomar bestückte Raketen vom Norden der Türkei nur über das Schwarze Meer hätten schießen müssen, um die Sowjetunion im Kern zu treffen, so hätten die Sowjetischen Raketen nur den Weg über die Karibik gehabt, um die Vereinigten Staaten ins Herz zu treffen. Ein Atomkrieg drohte und wurde erst durch den Kompromiss verhindert, dass beide ihre Raketen zurückzogen.

Schon seit anderthalb Jahrhunderten, seit der Monroe-Doktrin des Jahres 1823, war es unumstößlicher Grundsatz amerikanischer Politik, kein Eindringen außeramerikanischer Staaten in der westlichen Hemisphäre, also bis Kap Horn hinunter, zu dulden. Als Präsident John F. Kennedy den Abzug der sowjetischen Raketen aus Kuba teils erzwang, teils erhandelte, folgte er einer starken Tradition, vor allem verhielt er sich, wie jede Großmacht sich verhält, wenn ihr eine andere Großmacht auf den Leib rückt. Nicht allein das eigene Territorium, sondern auch die nähere oder auch weitere Umgebung gilt als Sicherheitszone, die von jeglicher fremder Einwirkung frei zu bleiben hat.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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