Zu den Mechanismen des Überwachungsstaates
Panoptes, der Allesseher – das war der Beiname für das griechische Fabelwesen Argus. Die Hälfte seiner Argusaugen wachte, während die andere schlief. Wenn man diesem Panoptes dazu noch hundert Ohren gibt, ist er ein schönes Symbol für den Präventionsstaat, wie ihn die Politiker der Inneren Sicherheit gegenwärtig etablieren. Verglichen mit den neuen Überwachungstechniken war der griechische Allesseher freilich ein recht harmloser Geselle. Man müsste ihm, um ihn auf die Höhe der Zeit zu bringen, auch noch ein Gehirn verpassen, das alles Gesehene und Gehörte dauerhaft speichern, sortieren, katalogisieren und kombinieren kann.
Vom griechischen Allesseher Panoptes zum „Panoptikum“: So nannte der englische Moralphilosoph Jeremy Bentham (1748-1832) den Entwurf eines Gefängnisses. Sein „Panopticon“ sollte ein kreisrunder Bau sein mit einem gewaltigen Turm in der Mitte, auf dem ein Wächter durch große Fenster in jede Zelle schauen kann. Er sieht nicht alle Häftlinge zur gleichen Zeit, aber da sie nie wissen, wann er sie beobachtet, verhalten sie sich so, als würden sie beobachtet. Sie leben in der Hypostase des allzeit kontrollierenden Blicks, Selbstdisziplinierung tritt an die Stelle physischer Kontrolle. Bentham wollte das Auge Gottes nachbauen, dem bekanntlich nichts entgeht, weil es Einblick hat in die Abgründe der Seele.