Ausgabe Oktober 2009

Meinung macht Politik

Bisher ist die Geschichte von Aufstieg (und Fall?) des Neoliberalismus hierzulande noch ungeschrieben. Gewiss, es gibt politologische Bücher über Neoliberalismus (etwa von Christoph Butterwegge); es gibt nüchterne ökonomische Bilanzen neoliberaler Politik, wie „Ist der Markt noch zu retten“ vom Wirtschaftsweisen Peter Bofinger, oder scharfe, wie „Gescheitert“ vom UNCTAD-Chefökonomen Heiner Flassbeck; und es gibt Überblicke zu Deregulierung und Privatisierung wie Werner Rügemers „Bilanz der Privatisierung“. Hier und da rekurrieren Analysen des kapitalistischen Weltsystems auch auf Deutschland, wie etwa „Der globale Countdown“ von Christiane Grefe und Harald Schumann oder David Harvey zuletzt in seinem Artikel „Finanzstaatsstreich“ (in den „Blättern“ 9/2009).

Daneben gibt es Studien über Trägergruppen des Neoliberalismus, etwa junge Wirtschaftseliten (Julia Friedrichs: „Elite. Auf den Spuren der Mächtigen“), und über die im „zentristischen Medienkartell“ verschmolzene Politikjournaille (Lutz Hachmeister: „Nervöse Zone“). Zur neoliberalen Transformation der Parteien gibt es dagegen außer der Rechtfertigungsliteratur der Akteure (etwa die Erinnerungen von Schröder, Fischer und Co.) nur wenig: so das kluge parteiensoziologische Buch von Oliver Nachtwey über den Wandel der SPD seit Kohl zur „Marktsozialdemokratie“ (im Vergleich zu New Labour).

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Aktuelle Ausgabe September 2025

In der September-Ausgabe plädiert Lea Ypi für eine Migrationsdebatte im Sinne der Aufklärungsphilosophie. Cinzia Sciuto fordert, der zunehmenden Aushöhlung des Völkerrechts mit einer entschiedenen Verteidigung desselben zu begegnen – und nicht mit Resignation und falschem Realismus. Für Georg Diez markieren die Kriegsverbrechen in Gaza und die fehlenden Reaktionen darauf einen Epochenbruch; sie stünden für nicht weniger als den Verrat des Westens an der Humanität. Herfried Münkler analysiert, wie Kriege historisch endeten und Friedenszeiten begannen und was das mit Blick auf den Ukrainekrieg bedeutet. Simone Schlindwein deckt auf, wie Russland junge Afrikanerinnen mit falschen Versprechen für die Kriegswirtschaft rekrutiert. Warum die grüne Digitalisierung ein Mythos ist und was der KI-Boom den Globalen Süden kostet, erläutern Ingo Dachwitz und Sven Hilbig. Und Eva-Maria Klinkisch sowie Markus Rieger-Ladich zeigen auf, wie Long Covid-Betroffene von der Gesellschaft und dem Gesundheitssystem systematisch ignoriert werden – und was dagegen zu tun ist. 

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