Ausgabe Januar 2010

Schwarz-gelber Ringelpietz

So viel Sturm und Drang, so viel jugendlicher Elan, ja so viel Rekordeifer war selten in der Geschichte der Bundesrepublik: Mit Franz Josef Jung stellt diese Regierung den Minister mit der kürzesten Amtszeit. „Ich habe die Entscheidung von Franz Josef Jung,“ verkündete stolz die Kanzlerin, „vom Amt des Bundesverteidigungs-, äh, vom Amt des Bundesarbeitsministers zurückzutreten, mit Respekt und Hochachtung zur Kenntnis genommen.“ Ein solches Erinnerungsvermögen verdient all unsere Anerkennung, wusste Frau Merkel doch noch, dass der Fall Jung gerade ein nagelneues Ministerium übernommen hatte.

Mit Jungs Nachfolger im Amt des Afghanistan-Ministers, einem wahrhaft jungen, unglaublich dynamischen und bis in die frisch geölten Haarspitzen gestylten Mann, konnte sogar erstmals ein echter Semantiker für die Regierung gewonnen werden: „In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände“, erklärte Karl-Theodor. Hatte der alte Afghanistan-Minister immer nur was von „Einsatz“ gemurmelt, konnte der neue Mann, mit einem Satz, die Lage in den deutschen Aufbaugebieten entscheidend ändern: Karl-Theodor sieht Zustände, wo andere solche kriegen.

Sie haben etwa 18% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 82% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (1€)
Digitalausgabe kaufen (10€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe November 2025

In der November-Ausgabe ergründen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey die Anziehungskraft des demokratischen Faschismus. Frank Biess legt die historischen Vorläufer von Trumps autoritärer Wende offen – ebenso wie die Lebenslügen der Bundesrepublik. Daniel Ziblatt zieht Lehren aus der Weimarer Republik für den Umgang mit den Autokraten von heute. Annette Dittert zeigt, wie Elon Musk und Nigel Farage die britische Demokratie aus den Angeln zu heben versuchen. Olga Bubich analysiert, wie Putin mit einer manipulierten Version der russischen Geschichte seinen Krieg in der Ukraine legitimiert. Ute Scheub plädiert für die Umverteilung von Wohlstand – gegen die Diktatur der Superreichen. Sonja Peteranderl erörtert, inwiefern sich Femizide und Gewalt gegen Frauen mit KI bekämpfen lassen. Und Benjamin von Brackel und Toralf Staud fragen, ob sich der Klimakollaps durch das Erreichen positiver Kipppunkte verhindern lässt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema Parteien

Patriotische Zivilgesellschaft: Das Vorfeld der AfD

von Sebastian Beer

Alice Weidel war genervt von der Geräuschkulisse während ihres Sommerinterviews Ende Juli in der ARD. Um das Gespräch mit der AfD-Vorsitzenden zu stören, hatten sich Aktivist:innen des Künstlerkollektivs Zentrum für Politische Schönheit unweit des TV-Studios versammelt und Musik abgespielt.