Ausgabe Mai 2010

Machtwechsel der Ideen

Für die Entzauberung des neoliberalen Glaubens

Seit Ausbruch der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise wird häufig von einer „Zeitenwende“ gesprochen und geschrieben. Vielstimmig beklagt man das Fehlen sozialmoralischer Grundlagen des Kapitalismus. Im Feuilleton wie im Wirtschaftsteil der Zeitungen wird der homo oeconomicus – der im wirklichen Leben ohnehin weit weniger rational handelt und sich von (falschen) Gefühlen treiben lässt: von Gier und Euphorie während des Booms und von Angst und Panik in der Krise – mit unverhohlenem Spott bedacht. Manch einer hat auch schon das Ende des Neoliberalismus, seines Weltbilds und seiner paradigmatischen Leitbilder verkündet.

Doch kommt der Abgesang auf das „neoliberale Einheitsdenken“ (Pierre Bourdieu) entschieden zu früh. Denn weder der gegenwärtige Krisendiskurs noch die als (temporäre) Regulierung konzipierten Instrumente der Krisenpolitik zielen darauf ab, die Hegemonie des Neoliberalismus zu brechen und eine andere Welt jenseits der kapitalistischen Marktwirtschaft zu ermöglichen.

Mit dem von Friedrich von Hayek schon Ende der 1940er Jahre geforderten „Mut zur Utopie“ ist es den Vertretern der marktradikalen Variante des (Neo-)Liberalismus seit den 1970er Jahren tatsächlich gelungen, den „Glauben an die Macht der Ideen“, den von Hayek nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschworen hatte, zurückzugewinnen.

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In der Dezember-Ausgabe ergründet Thomas Assheuer, was die völkische Rechte mit der Silicon-Valley-Elite verbindet, und erkennt in Ernst Jünger, einem Vordenker des historischen Faschismus, auch einen Stichwortgeber der Cyberlibertären. Ob in den USA, Russland, China oder Europa: Überall bilden Antifeminismus, Queerphobie und die selektive Geburtenförderung wichtige Bausteine faschistischer Biopolitik, argumentiert Christa Wichterich. Friederike Otto wiederum erläutert, warum wir trotz der schwachen Ergebnisse der UN-Klimakonferenz nicht in Ohnmacht verfallen dürfen und die Narrative des fossilistischen Kolonialismus herausfordern müssen. Hannes Einsporn warnt angesichts weltweit hoher Flüchtlingszahlen und immer restriktiverer Migrationspolitiken vor einem Kollaps des globalen Flüchtlingsschutzes. Und die Sozialwissenschaftler Tim Engartner und Daniel von Orloff zeigen mit Blick auf Großbritannien und die Schweiz, wie wir dem Bahndesaster entkommen könnten – nämlich mit einer gemeinwohlorientierten Bürgerbahn. 

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