Mittlerweile ist klar, dass die Bürgerkriege in Syrien und im Irak zusammengehören. Beide Auseinandersetzungen sind komplex, doch während sie in den letzten Jahren immer erbitterter geführt wurden, nahmen sie zugleich immer sektiererische Züge an: Rebellierende sunnitische Kräfte, die im Clinch mit schiitischen und alawitischen Regierungen liegen, haben sich in Bagdad und Damaskus verschanzt. Und da in beiden Fällen keine Kompromisslösung erreichbar scheint, haben Radikale und Extremisten die Oberhand gewonnen – mit einem Netzwerk sunnitischer Islamisten, die entweder mit Al Qaida verbündet oder Ableger von Al Qaida sind, letztere womöglich sogar noch radikaler als Al Qaida selbst. Tatsächlich ist die führende Gruppe im Irak militanter als die von Pakistan und Afghanistan aus operierende Organisation. Ihre Anfänge liegen ebenfalls dort, wo sie zuerst als Al Qaida im Irak (AQI) firmierte; heute tritt sie als Islamischer Staat von Irak und Syrien (ISIS) auf.[1] Al Qaida selbst kritisierte ISIS, weil diese sich weigert, reibungslos mit anderen Teilen der sunnitisch geführten Opposition zu kooperieren, die Präsident Baschar al-Assads Regierung in Syrien bekämpft.
In der Oktober-Ausgabe wertet Seyla Benhabib das ungehemmte Agieren der israelischen Regierung in Gaza als Ausdruck einer neuen Ära der Straflosigkeit. Eva Illouz ergründet, warum ein Teil der progressiven Linken auf das Hamas-Massaker mit Gleichgültigkeit reagiert hat. Wolfgang Kraushaar analysiert, wie sich Gaza in eine derart mörderische Sackgasse verwandeln konnte und die Israelsolidarität hierzulande vielerorts ihren Kompass verloren hat. Anna Jikhareva erklärt, warum die Mehrheit der Ukrainer trotz dreieinhalb Jahren Vollinvasion nicht zur Kapitulation bereit ist. Jan Eijking fordert im 80. Jubiläumsjahr der Vereinten Nationen mutige Reformen zu deren Stärkung – gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Bernd Greiner spürt den Ursprüngen des Trumpismus nach und warnt vor dessen Fortbestehen, auch ohne Trump. Andreas Fisahn sieht in den USA einen „Vampirkapitalismus“ heraufziehen. Und Johannes Geck zeigt, wie rechte und islamistische Rapper Menschenverachtung konsumierbar machen.